Die Chirurgie ist ein traditionsreiches Teilgebiet der Medizin, welches seine Anfänge in weit zurückliegenden Zeiten hatte. Erwiesenermaßen wurden bereits in der Steinzeit bei den Neandertalern erste erfolgreiche chirurgische Eingriffe durchgeführt. Viel wissen wir über diese leider Zeit nicht, doch ist zu vermuten, dass blutende Wunden ebenso behandelt wurden wie Knochenbrüche und andere Verletzungen.
Frühe Zeugnisse der Chirurgie
Besonders gut zurückverfolgen lässt sich die Geschichte der Chirurgie anhand der Trepanation. Die Öffnung des Schädels wurde bereits bei den Vorfahren der Inkas durchgeführt und laut heutigem Forschungsstand in den meisten Fällen überlebt. Auch die Ärzte der Pharaonen in Ägypten bedienten sich dieser Methode, beispielsweise um Fremdkörper zu entfernen oder Schmerzen am Kopf zu behandeln. Schriftliche Quellen gibt es kaum aus dieser frühen Zeit der Chirurgie, doch Untersuchungen an Mumien und Skeletten geben vielfältige Rückschlüsse aufgrund offensichtlicher Amputationen und Eingriffen an Knochen im Schädel- und Mundbereich.
Bahnbrechende Erkenntnisse der Chirurgie in der Antike
Eine Epoche prägte uns ganz beachtlich durch frühe Erkenntnisse und Innovationen: die Antike. Hier finden wir auch die Ursprünge des Begriffs „Chirurgie“, denn „mit der Hand machen“ übersetzt sich in den griechischen Ausdruck „Cheir urgia“. Ein Name, den wohl jeder schon einmal gehört hat, ist der des Begründers der Medizin als Wissenschaft. Hippokrates von Kos führte die Entstehung von Krankheiten auf das Ungleichgewicht von Körpersäften zurück. Eine Theorie, die der Medizin lange erhalten blieb und obwohl in dieser Form längst wiederlegt, viele Überlegungen und Erkenntnisse nach sich zog. Bezüglich der Chirurgie tat sich in der Antike ebenfalls einiges. Einen eindeutigen Hinweis auf die Ausübungen chirurgischer Tätigkeiten gibt es beim ersten bekannten griechischen Arzt im Rom: Archagathus führte eine eigene Praxis namens „Schneiden und Brennen“.
In der römischen Kaiserzeit spezialisierten sich Ärzte auf verschiedene Fachbereiche, wie das Heilen von Brüchen oder das Ziehen von Zähnen. Entsprechend vielfältig war auch die Auswahl und Qualität von Werkzeugen und Instrumenten. Besondere Fortschritte brachte der grausame Gladiatorenkampf mit sich. Waren die Kämpfer doch von besonderem Wert für ihre Besitzer, wurden die oft schweren Verletzungen im Anschluss an die Kämpfe aufwendig versorgt. Auch war es üblich Leichen von Hingerichteten ausführlich zu untersuchen, was neue Erkenntnisse zum Inneren des Körpers mit sich brachte. Die Fähigkeiten von Ärzten und Chirurgen der Antike breiteten sich im Laufe der Zeit über die Kontinente aus, wurden verfeinert und erweitert, niedergeschrieben und weitergegeben.
Das Mittelalter – Quacksalber und Abzocke
Das dunkle Zeitalter brachte schwere Zeiten für die Ausübung chirurgischer Fertigkeiten mit sich. Aristoteles hatte eine Dreiteilung der Medizin etabliert, so unterschied man zwischen praktischen Ärzten, theoretischen Medizinern und medizinisch gebildeten Laien. Chirurgie wurde als eigenständige Tätigkeit von den damaligen Ärzten abgegrenzt. So war es üblich, dass dieses Tätigkeitsfeld sich mit den Berufen der Bader und Barbiere überschnitt. Eine als unehrlich angesehene Zunft, der es laut damaliger Ansicht in erster Linie darum ging, den ehrlichen Mitmenschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Eine theoretische Ausbildung fand für gewöhnlich nicht statt, das praktische Wissen wurde informell weitergegeben und Operationen führten selten zu einer Heilung. Fehlverhalten von Patienten im Zuge einer Operation war damals noch das kleinste Problem. Heikel war insbesondere der Umstand, dass das Verschreiben von Arzneien und das entsprechende Fachwissen den Ärzten vorbehalten war. Chirurgische Eingriffe wurden somit ohne angemessene Nachsorge und medikamentöse Behandlung durchgeführt. Auch wenn es im Mittelalter durchaus virtuose Meister der Chirurgie gab, führte ein Großteil der Behandlungen nicht zum gewünschten Erfolg. Bei vollem Bewusstsein erlebten die Kranken oft schmerzhafte Behandlungen mit grausam anmutenden Gerätschaften. Krankheit wurde aufgrund damaliger kirchlicher Einflüsse häufig als gerechtes Todesurteil angesehen.
Die frühe Neuzeit und die Wiedergeburt der Chirurgie
Nicht für immer sollte die Kunst der operativen Eingriffe in der Versenkung verschwinden. Die Renaissance brachte eine Wiederaufnahme und den Ausbau von Errungenschaften der Antike mit sich. Besondere Einschränkungen bezüglich der medizinischen Forschung brachte in den vorherigen Jahrhunderten das kirchliche Verbot des Sezierens von Leichen mit sich. Eine Lockerung dieser strengen Maßnahme führte zu einem revolutionären Anstieg der Forschungslust, auch im medizinischen Bereich. Ein trauriger Anlass, jedoch Grund für weitere wichtige Entwicklungen chirurgischer Fertigkeiten, war eine Vielzahl von Kriegen. Soldaten wurden im Feld schwer verletzt und sollten durch professionelle Unterstützung von ihrem Leid befreit werden.
Bis ins 18. Jahrhundert waren Chirurgen jedoch noch immer nicht ausreichend ausgebildet. Ein Faktum, welches sich bald ändern sollte. Um Pfuscherei zu vermeiden, wurden Beschlüsse erlassen, die es nur studierten Ärzten erlaubten, zu operieren. Chirurgie wurde in die Lehrpläne von Universitäten und Fachschulen aufgenommen und schon bald wurde Chirurgie zum Bestandteil des regulären Medizinstudiums. Es entstanden erste Operationssäle an den Universitäten und die Erkenntnis, dass Hygiene elementar für die Behandlung von Krankheiten ist, senkte die Zahl der Todesfälle enorm. Doch ein großes Manko blieb: Noch wusste man nichts über Viren, Bakterien, Entzündungen und Infektionen.
Die Chirurgie der Moderne und ihre Vorläufer
Auch in den letzten zwei Jahrhunderten tat sich einiges auf dem Gebiet der Chirurgie, bevor solch hochkomplexe Eingriffe, wie wir sie heutzutage gewohnt sind, möglich wurden. Bis in das 19. Jahrhundert waren Narkose und Antisepsis noch Fremdworte – was viele Todesfälle zur Folge hatte. Die Erfindung des Mikroskops brachte jedoch die Entdeckung von Keimen mit sich und so konnten durch Antisepsis viele Leben gerettet werden. Die erste Operation unter Äther-Narkose wurde Mitte des 19. Jahrhunderts durchgeführt und revolutionierte die Chirurgie. Weiterhin sind Endoskope zu unserer Zeit ein unabdingbares Instrument bei vielen Operationen. Erstmalig wurden Gerätschaften dieser Art um 1900 entwickelt und genutzt. Die Entfernung von Tumoren, Herztransplantationen und die Einführung der minimal-invasiven Chirurgie - all diese Errungenschaften und viele mehr waren große Schritte bis hin zum heutigen Stand der Medizin und noch viele weitere werden in Zukunft folgen.