Vor wenigen Tagen hat das Europäische Patentamt einer Forderung von „Ärzte der Welt“ teilweise stattgegeben. Richtern zufolge ist der Patentantrag von Gilead Sciences, um Sofosbuvir zu schützen, zu weit gefasst. Am Urteil scheiden sich die Geister.
Bei uns müssen Krankenkassen für eine zwölfwöchige Behandlung mit dem Hepatitic-C-Medikament Sovaldi® (Sofosbuvir) 42.000 Euro berappen. Deutschland gilt trotz AMNOG immer noch als einer der Referenzmärkte Europas. Das führt weltweit zu hohen Preisen. Bereits am 10. Februar 2015 hatte „Ärzte der Welt“ deshalb das Patent EP2203462 überprüfen lassen, um zu klären, ob die Kriterien zur Patentierbarkeit laut Europäischem Patentübereinkommen (EPÜ) erfüllt sind. Jetzt gaben Richter dem Einspruch in Teilen statt. Der Antrag sei zu weit gefasst, lautete ihre Einschätzung.
„Wie wir jetzt wissen, hat das Pharmaunternehmen ein fehlerhaftes Patent benutzt, um einen enormen Druck auf die Staaten auszuüben, überhöhte Preise zu akzeptieren“, sagt François de Keersmaeker von „Ärzte der Welt“ Deutschland. „In vielen Ländern Europas führte dies dazu, dass zahlreiche an Hepatitis C erkrankte Menschen wegen der hohen Kosten nicht behandelt werden.“ Er spricht von einer „schwachen Qualität des Patents“. Seiner Organisation zufolge werde Sofosbuvir eventuell nicht mehr von einem Patent geschützt. Tahir Amin vom internationalen Netzwerk I‐MAK (Initiative For Medicines, Access and Knowledge) würden Firmen Patente nutzen, um ihre dominante Position zu stärken und völlig überteuerte Medikamente auf den Markt zu bringen. Länder wie China, die Ukraine und Ägypten hätten Amin zufolge das Patent von Gilead bereits vollständig zurückgewiesen.
Gilead sieht indes keinen Grund zum Pessimismus. Eine Sprecherin kommentierte, das Europäische Patentamt habe zu Gunsten des Herstellers entschieden. „Wir freuen uns sehr darüber, dass das Patent nicht widerrufen wurde. Wir glauben, dass dies eine Anerkennung der außergewöhnlichen Innovation ist, die zu der Entwicklung von Sofosbuvir beigetragen hat.“ Tatsächlich wirft das Urteil mehr Fragen als Antworten auf.
Zumindest muss Gilead Veränderungen am Inhalt des Patents vornehmen. Bei erheblichem öffentlichem Interesse haben Regierungen sogar die Möglichkeit, Zwangslizenzen zu verhängen. Dazu gehört auch, wichtige Arzneimittel oder Heilverfahren allen Bürgern zu erschließen. Neue Therapiemöglichkeiten wie Sofosbuvir, das Pharmakon heilte bis zu 90 Prozent aller Patienten mit Hepatitis C, fallen in diesen Bereich. Details dazu finden sich beispielsweise im Patentgesetz (PatG), Paragraph 24. „Bisher haben die Regierungen erklärt, die Zwangslizenz wäre ein schwaches rechtliches Werkzeug, obwohl es durch die nationalen Gesetze und Regeln der Welthandelsorganisation gebilligt wird“, erklärt Olivier Maguet von „Ärzte der Welt“ Frankreich. Er hofft, bereits die Androhung derartiger Maßnahmen könne Preissenkungen auslösen.