Internistin Klara steht vor mir, mit einem perfektionierten Augenaufschlag von unten. „Könntest du mal kurz bei Frau Schneider vorbei sehen? Die linksseitigen Brustschmerzen sind definitiv kein Herzinfarkt. Die Lunge ist auskultatorisch okay. Aber irgendwie komme ich nicht weiter.“
Ich stutze. Klara macht ihren Job echt gut. Ich wette, ihr fallen viel mehr Differentialdiagnosen dazu ein als mir. „Ja, ich weiß, aber vielleicht ist es ja doch ein Bandscheibenvorfall. Die ziehen ja auch manchmal nach vorne in den Brustbereich, oder?“
„Klar, ich schaue nach ihr. Aber den Wimpernaufschlag brauchst du bei mir dafür nicht. Funktioniert das bei meinen Kollegen?“ Sie grinst: „Immer!“
Frau Schneider ist knapp über 80 Jahre alt und dement. Sie sitzt im Bett und ihr Sohn steht etwas verängstigt daneben. „Sie sagt, sie habe Brustschmerzen. Seit ein paar Tagen. Aber irgendwie können sie nichts finden. Ich mache mir etwas Sorgen.“
Frau Schneider sagt nicht viel. Sie starrt einfach ins Leere. Nach ein paar weiteren Fragen bitte ich sie, sich auszuziehen. Ja, auch den BH. Ich kann ihr gerne behilflich sein. Ihr Sohn verlässt den Raum. „Ah, ach so, äh. Ja, dann gehe ich lieber mal. Den BH musste sie eigentlich noch nie ausziehen.“
Die Diagnose dauert eine Sekunde. Das exulzerierende Mammakarzinom liegt direkt neben der Brustwarze, außen oben. Ja, Frau Schneider hat linksseitige Brustschmerzen.