Bei einer bestimmten Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, den „Tauopathien“, können krankhafte Tau-Proteine neuronale Störungen auslösen. Nervenzellen geraten dann in eine Art Schlummerzustand. Der Wirkstoff Rolofylline könnte deren Aktivität wiederherstellen.
Axone können bis zu einem Meter lang sein – Tau-Proteine tragen normalerweise zur Integrität dieser Strukturen bei. Doch bei einer bestimmten Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen – den „Tauopathien“, zu denen beispielsweise Alzheimer gehört – gerät Tau auf Abwege: Es aggregiert zu winzigen Fasern oder Klumpen, was neuronale Störungen auslösen kann. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind aber nur grob verstanden. Eine effektive Therapie gibt es daher nicht.
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Forschungszentrums caesar um Eva-Maria und Eckhard Mandelkow präsentierten jetzt neue Erkenntnisse über die krankhaften Vorgänge, an denen Tau-Proteine beteiligt sind. Die Forscher berichten, dass es unter pathologischen Bedingungen dazu kommt, dass sich in den Axonen kleine Tau-Aggregate ansammeln. Die neuronale Aktivität wird infolgedessen gedrosselt. Aber die Nervenzellen sterben nicht ab und scheinen auch nicht ernsthaft krank zu sein. Sie geraten nur in eine Art Schlummerzustand. Dafür fanden die Forscher ein mögliches Gegenmittel: Der Wirkstoff Rolofylline kann die neuronale Aktivität wiederherstellen. Rolofylline verstärkt den Signalaustausch zwischen den Nervenzellen und ist dadurch in der Lage, Lern- und Gedächtnisstörungen abzumildern. Die Wissenschaftler konnten diesen Effekt an Mäusen nachweisen, in deren Gehirnen sich Tau-Aggregate angehäuft hatten.
Rolofylline wurde ursprünglich zur Behandlung von Nierenfunktionsstörungen bei Herzpatienten entwickelt. Der Wirkstoff bindet an sogenannte Adenosin-A1-Rezeptoren. Infolgedessen werden Signalwege blockiert, die ansonsten die neuronale Aktivität herunterregulieren. Das könnte für Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen von Nutzen sein. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Rolofylline für die Behandlung von Nervenstörungen geeignet sein könnte, die aufgrund einer Tauopathie auftreten. Dies macht den Wirkstoff zu einem heißen Kandidaten für weitere Untersuchungen“, sagt Frank Dennissen, Mitglied in der Arbeitsgruppe Mandelkow und Erstautor der aktuellen Veröffentlichung. „In gewisser Weise ähneln die Tau-Aggregate einer Betonmauer, die ein Funksignal blockiert. Rolofylline scheint wie ein Verstärker zu wirken, der die Verbindung, trotz Hindernis, wiederherstellt.“ Originalpublikation: Adenosine A1 receptor antagonist rolofylline alleviates axonopathy caused by human Tau ΔK280 Frank J. A. Dennissen et al.; PNAS, doi: 10.1073/pnas.1603119113; 2016