Herr Danilo lehnt aus religiösen Gründen eine Bluttransfusion ab. Die Gabe von Erythropoetin wäre eine Alternative. Nicht besser, aber teurer. Muss die Allgemeinheit das bezahlen?
Herr Danilo hält Hof. Gerade eben ist wieder eine Gruppe von Besuchern in seinem Zimmer verschwunden und ich weiß genau, was jetzt geschieht: Herr Danilo sitzt halb aufgerichtet in seinem Bett. Ein bisschen bleich ist er noch, aber das ist auch kein Wunder bei dem, was der durchgemacht hat.
Seine Besucher werden sich ehrfürchtig nähern, mit gesenktem Kopf, sich vielleicht sogar verbeugen und ihm dann demütig die Hand reichen. Herr Danilo wird versuchen, zu lächeln, ein paar Nettigkeiten sagen, dann werden sie zusammen beten und nachdem sie noch mehr Nettigkeiten ausgetauscht haben, werden sie noch mehr beten. Es wird ziemlich viel gebetet in Herrn Danilos Zimmer.
Herr Danilo braucht dringend Bluttransfusionen
Auf seinem Nachttisch liegen religiöse Traktate und eine Bibel.
„Was is’n das für einer?‟, fragt Jenny.
„Weiß nicht. Wohl so ’ne Art Papst!‟, sagt Marvin, „aber nicht so ganz, weil der Papst normalerweise katholisch ist!‟
Als Herr Danilo vor einer Woche zu uns kam, war er noch viel blasser als jetzt. Sein Puls raste, der Blutdruck war im Keller und offenbar hatte er eine schwere Magenblutung hinter sich. Als Sarah das Ergebnis der Blutuntersuchung sah, hat sie gleich so viele Blutkonserven bestellt, wie sie auftreiben konnte. Dann ist sie, bewaffnet mit Kugelschreiber und Aufklärungsformular zum Patienten gegangen, um die notwendigen Formalitäten zu erledigen – soviel Zeit muss sein.
Herr Danilo nimmt das Formular bedächtig in die Hand, lächelt, und schüttelt den Kopf. „Nein!‟, sagt er.
„Er entscheidet, wann es Zeit ist, zu gehen!‟
Sarah zuckt zusammen. „Wie meinen Sie das?‟
„Sie werden mir keine Bluttransfusionen verabreichen!‟
„Äh ... warum nicht?‟
„Weil es nicht richtig ist. Weil es so geschrieben steht.‟
„Aber Sie haben eine Menge Blut verloren. Das muss ersetzt werden!‟
„Und wenn nicht?‟
„Sie könnten sterben!‟
Herr Danilo lächelt erneut. „Er allein entscheidet, wann es Zeit ist, zu gehen!‟, sagt er und deutet mit dem Zeigefinger nach oben.
Sarah schaut auf das Formular.
„Das heißt ... Sie verweigern die Transfusion?‟
Herr Danilo nimmt den Kugelschreiber in die Hand. „Ich unterschreibe Ihnen gerne, dass Sie mich nach allen Regeln der Kunst ausführlich aufgeklärt haben und ich auf eigene Verantwortung dagegen entscheide.‟
Kann man den Patienten einfach verbluten lassen?
Er tut das offenbar nicht zum ersten Mal. Sarah nickt ihm freundlich zu, verlässt rasch das Zimmer und kommt in die Stationsküche, wo Martin, Kalle und ich bei kalt gewordener Krankenhauskaffeeplörre zusammensitzen.
„Was machen wir jetzt?‟, fragt sie.
„Die Blutkonserven abbestellen!‟, sagt Kalle.
„Und der Patient? Wir können ihn doch nicht verbluten lassen!‟
Kalle nippt an seinem Becher und schiebt ihn weg. „Wir haben ihn gastroskopiert und festgestellt, dass die Blutung gestoppt ist. Wir geben ihm genug Flüssigkeit per infusionem, dazu reichlich Eisen und warten ab.‟
„Sonst können wir nichts für ihn tun?‟
Kalle steht auf und gießt den Inhalt des Bechers in die Spüle.
„Doch!‟, sagte er.
Sarah schaut ihn mit großen Augen an.
„Erythropoetin zum Beispiel: das unter Sportlern sehr bekannte Dopingmittel!‟
Martin lacht kurz auf. „Weißt du, was das kostet?‟
Er wartet die Antwort nicht ab. „Fehlt gerade noch, dass wir tausend Euro für so einen Sektenheini verballern, bloß weil der sich anders nicht behandeln lassen will!‟