Liebe Dozenten, Dieser offene Brief richtet sich an all diejenigen unter Ihnen, die Spaß daran haben, Ihr Wissen an uns Studenten weiterzugeben.
Die Patienten in die Vorlesung mitbringen, damit einer von uns nochmal das Anamnesegespräch üben kann. Nicht immer ist das ganz freiwillig. Letztendlich wissen wir aber, dass es besser ist, jetzt mal einen Fehler zu machen oder eine Frage etwas seltsam zu stellen (so dass hin und wieder das Auditorium etwas zu lachen hat). Besser jetzt – unter eurer Beobachtung – als später allein, ohne dass es uns selbst auffällt.
Manchmal bekommen wir im Nachhinein sogar noch Ratschläge von euch. Unsere Kommilitonen schauen zu und lernen – von Fehlern oder auch von einem ausgesprochen eleganten Umgang mit dem Patienten.
Durch Kommunikationsseminare, die heutzutage Teil unseres Studiums sind, fällt uns bei einigen von euch auf, dass ihr längst nicht immer alle Regeln beachtet, die uns nahegelegt werden – den Patienten ausreden lassen zum Beispiel. Aber das ist nicht so schlimm. Vermutlich habt ihr es ja auch nie anders gelernt; sondern wusstet es nicht besser und wart dann schnell in einer Position, in der niemand sich mehr traute, Kritik an euch zu üben.
Es zeigt uns außerdem, dass ihr auch nur Menschen seid (und weil wir immer noch großen Respekt vor euch haben, tut uns das ganz gut.) Ihr macht das aber trotzdem echt gut und die Krankheitsbilder, die wir anhand einer in dieser Form besprochenen konkreten Patientengeschichte lernen, werden uns mit Sicherheit im Gedächtnis bleiben.
Liebe Ärzte,
Manchmal sind wir im Rahmen unserer Praktika auf Station, im OP, im Patientenzimmer. Nicht immer ist es angenehm, wenn ihr uns dann – mal so nebenbei – mit Fragen löchern und testieren (obwohl doch gar keine Prüfung angesagt ist). Aber irgendwo wissen wir auch das tief im Inneren zu schätzen - denn besser ist es ja, wenn etwaige Wissenslücken jetzt aufgezeigt werden und wir sie noch schließen können, bevor wir in der Verantwortung für die eigenen Patienten stehen (und unser Oberarzt die Hände über dem Kopf zusammenschlägt).
Oft zeigt ihr uns auf diesem Wege auf, welche Sachen wirklich wichtig sind. Im Medizinstudium ist es nämlich gar nicht so einfach, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu übersehen. Leicht passiert es, dass wir uns in Details verirren. Euer „Gepiesacke“ – so fühlen sich eure Fragen durchaus manchmal an – hilft uns bei der Orientierung. Nur eine Bitte: Macht das nicht am Patientenbett. Denn das ist uns dann doch ziemlich unangenehm. (Und auch irgendwie umprofessionell, oder?)
Schön ist es darüber hinaus, dass ihr offen seid für unsere Einwände und Reflektionen. Ihr seid die Experten und wir die Novizen, das ist euch und uns bewusst. Wir wollen eure Autorität auch gar nicht anzweifeln. Doch zu stark sollte die Hierarchie auch im Krankenhaus nicht immer sein. Wie schön, dass ihr verstanden habt, dass unsere Fragen und Überlegungen zwar oft noch naiv und unwissend sind, darunter aber durchaus auch Gedanken und Einwände sind, die es sich lohnt, aufzugreifen und weiterzudenken.
Uns ist bewusst, dass die Lehre an einer Uniklinik nicht oberste Priorität einnimmt. Für eure eigene Karriere zählt nicht der Einsatz für uns Studierende, sondern die Anzahl eurer wissenschaftlichen Publikationen und zunehmend die erwirtschafteten Zahlen eurer Abteilung. Insofern wissen wir euer Engagement umso mehr zu schätzen – für den ihr nicht unbedingt extrinsisch motiviert werdet, sondern der oftmals von euch selbst kommt. Und für den ihr bestimmt immer wieder abends eure Freizeit opfert.
Liebe Niedergelassenen,
Auch euch vielen Dank, dass ihr uns in eure Praxen lasst, uns eure Arbeitsweise erklärt und aus dem Nähkästchen plaudert: über alles, was so im Hintergrund abläuft, und was im Medizinstudium nicht unbedingt Thema ist. Abrechnungen, der Umgang mit dem Personal, und welche Strategien und Taktiken ihr euch selbst so angeeignet habt, um mit den schwierigen Seiten des Ärztedaseins umzugehen – sterbenden Patienten zum Beispiel. Einer von euch hat mir neulich einen seiner Leitsprüche anvertraut: Mitgefühl ist erlaubt (und erwünscht). Mitleid darf man nicht haben. Das hat mich berührt und an diesen Spruch werde ich bestimmt noch häufiger zurückdenken.
Schön, wenn ihr euch zurückerinnert, was ihr selbst euch im Studium damals von euren Dozenten, Oberärzten gewünscht hättet. Wenn ihr uns ermutigt und sagt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Denn so fällt uns das Lernen deutlich leichter. Und ihr könnt zukünftig auf gut ausgebildete Kollegen vertrauen.
P.S.: Liebe andere Ärzte,
vielleicht fühlt ihr euch nicht angesprochen. Weil ihr anders mit uns Studierenden umgeht. Weil ihr findet, dass die Jugend im Allgemeinen und selbst der Mediziner-Nachwuchs zu faul ist, zu respektlos, nicht bereit dazu, den erforderlichen Einsatz zu zeigen. Oder viel zu strebsam, aber praktisch untauglich. Oder arrogant und selbstgerecht. Schon im Studium von Teilzeitstellen träumt, dabei haben wir doch aus eurer Sicht von Tuten und Blasen noch gar keine Ahnung und brauchen die ganzen Überstunden und Wochenenddienste, um überhaupt fit zu werden in der Materie.
Zum Glück habe ich bisher nicht so viele von euch kennen gelernt. Aber wenn doch: Werft uns nicht alle in einen Topf und gebt uns eine Chance. Das machen wir im Gegenzug auch.
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