Was Patienten nicht mitbekommen: Auch Jahre nach der Behandlung landen noch Abrechnungen bei uns auf dem Tisch. Gerade sind es Zehntausende. Und dann wird es oft schwierig. Schwierig, weil ich Ärzten erklären muss, dass sie korrekt behandelt, aber falsch abgerechnet haben.
Wir haben in unserer Kanzlei mehrere zehntausend laufende Vorgänge, von denen allein ca. 5.000 Neuanlagen seit dem 01.01.2017 sind. Wir vertreten Krankenhäuser in allen Belangen. 90 % unserer Anfragen drehen sich um die Abrechnung von Krankenhausbehandlungen.
Was der Patient und damit die Bevölkerung gar nicht mitbekommt ist, dass Jahre nach einer Behandlung deren Abrechnung teilweise bei uns auf dem Tisch landet. Die Streitigkeiten ranken sich um die Dauer der Behandlung, die richtige Diagnosestellung und die Wahl der Hauptdiagnose. Hierbei betrachten wir die gesamte Palette von kurzstationären Hernien-OPs über schwerwiegende Sepsen und Beatmungsfälle über monatelange Psychiatrieaufenthalte.
Streitfragen im Nachgang klären
Und hier geht es nicht um Fehler in der Behandlung oder Haftungsfragen. Hier geht es ausschließlich um den Erlös. War die Diagnose XY richtig gestellt und konnte diese abgerechnet werden oder nicht? Konnte Patient XY nicht bereits einen Tag nach der OP entlassen werden? Musste Patient XY überhaupt dafür stationär aufgenommen werden? Sind die Stunden, die beatmet wurden, tatsächlich richtig gezählt?
Hier geht es nicht mehr um den Patienten, hier geht es um die Zahl. Und deshalb fällt es manchmal nachvollziehbar schwer, dem behandelnden Arzt zu sagen, dass alles richtig war, aber abrechnen durfte er das so, wie er bzw. das Krankenhaus es getan hat, nicht. Da fällt es schwer, einem Arzt zu erklären, warum in einem sozialgerichtlichen Verfahren durch ein Gutachten festgestellt wird, dass ein respiratorisches Versagen nicht vorgelegen hat, sondern eine schwere Pneumonie. Schwer fällt es, zu erklären, dass eine Sepsis nicht abgerechnet werden kann, obwohl eine entsprechende Behandlung eingeleitet wurde, nur weil lediglich eine Blutprobe (und nicht wie vorgeschrieben zwei) abgenommen wurde. Das Argument, dass der Patient nach dem klinischen Bild eine Sepsis hatte, wird teilweise vor Gericht nicht anerkannt.
Faktoren für SIRS
Laut dem Kriterienkatalog der DSG zur SIRS müssen für das Vorliegen eines SIRS infektiöser Genese ohne Organkomplikation(en) folgende Faktoren erfüllt sein: „Abnahme von mindestens 2 Blutkulturen (jeweils aerobes und anaerobes Pärchen)“
Weiter heißt es:
„Die beiden folgenden Konstellationen werden unterschieden:
1. Negative Blutkultur, jedoch Erfüllung aller vier der folgenden Kriterien:
2. Positive Blutkultur, und Erfüllung von mindestens zwei der folgenden Kriterien:
Korrekt behandelt, falsch abgerechnet
Allerdings heißt es hier auch:
„Voraussetzung für ein SIRS infektiöser Genese ist immer die Diagnose einer Infektion über den mikrobiologischen Nachweis oder durch klinische Kriterien“
Dieses Kriterium fällt allerdings leider zuhäufig unter den Tisch. Wir verlassen uns auf die Fachkenntnis der Ärzte. Sobald uns von den behandelnden Ärzten mitgeteilt wird, dass eine Sepsis vorlag, vertreten wird das auch so vor Gericht. Die Rechtsprechung sollte sich meiner Meinung nach auch daran halten und der Fachkenntnis der Ärzteschaft mehr Vertrauen entgegenbringen als der Tatsache, dass keine zwei Blutproben abgenommen wurden.
Die Abrechnungsstreitigkeiten haben im weitesten Sinne noch etwas mit dem medizinischen Sachverhalt zu tun. Wir bewegen uns zwischen Richtlinien, Kodierempfehlungen und der Rechtsprechung zum fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten. Dass es einem dann teilweise schwer fällt, den behandelnden Ärzten zu erklären warum ihre korrekte Behandlung nicht korrekt abgerechnet ist, ist verständlich.
Reine Kodierungssache
Deshalb ist es so wichtig zu differenzieren. Wir streiten nicht über die Haftung, über Behandlungsfehler oder Fehldiagnosen. Es geht rein um die Kodierung, die Abrechnung der Behandlung.