Eigentlich möchte der Kunde nicht die Tropfen, die wir ihm letztes Mal gegeben haben, sondern Tabletten (die es nicht gibt). Eigentlich braucht er was Stärkeres, das wir nicht verschreiben dürfen, aber er will den Arzt nicht stressen. Naja, eigentlich habe ich keine Ahnung, wovon ich rede.
Vorletzte Woche kam ein Kunde rein und knallte eine Flasche Fenistil hin, die er ein paar Tage zuvor bei meiner Kollegin Sandra gekauft hatte. Es ging um folgendes: Er hatte letzten Sommer eine heftige allergische Reaktion auf einen Wespenstich und wollte nun etwas als Antidot mitnehmen, falls er wieder gestochen werden sollte.
Alles wurde genau erklärt
Ihm wurden Fenistil-Tropfen in der 20 ml Packung mitgegeben, mit der Anweisung, bei einem Stich die halbe Flasche auszutrinken. Er war beim Kauf schon nicht ganz überzeugt, aber sie hatte noch versucht, ihm klar zu machen, dass alles, was stärker wirksam ist, verschreibungspflichtig ist.
Er wollte laut eigener Aussage sowieso demnächst mit seinem Arzt darüber sprechen, da sie ihm dringend ans Herz gelegt hatte, dass er zusätzlich noch ein Kortison einnehmen sollte und dass er ein adrenalinhaltiges Dosieraerosol oder sogar eine Adrenalin-Spritze benötigt, die ihm aber sein Arzt aufschreiben muss.
Wir haben keine erfundenen Tabletten
Nun kam er also wieder zu meiner Kollegin Birgit, mit dem Wunsch, das Fenistil gegen eine Tablette einzutauschen, die genau so gut und schnell wirksam ist und die er im „Seitenfach seines Portemonnaies“ aufbewahren kann. Nach kurzem Befragen kam heraus, dass diese Tablette tatsächlich nur in seiner Vorstellung existiert.
„Also ich bitte Sie, da muss es doch was geben, wenn ich mir das so vorstellen kann! Irgendein Tablettchen, das nur etwa so groß ist wie ein Pfennigstück … und das ich einnehmen kann im Falle – Sie wissen schon – eines Insektenbisses- oder stiches. Sie haben doch Pharmazie studiert, nicht wahr? Sie müssten mich doch beraten können, sowas muss es doch geben!“
Der Arzt, ein sehr beschäftigter Mann
Sie konnte ihm nicht helfen und er ging wieder nach Hause. Um am nächsten Tag erneut wiederzukommen und dieses Mal von mir beraten zu werden. Ich versuchte ihm den Sachverhalt ein drittes Mal zu erklären und fragte ihn, ob er denn inzwischen einmal bei seinem Hausarzt gewesen sei. Er verneinte und sagte, dass der „Mann im Moment so beschäftigt“ sei und er ihm nicht die Zeit stehlen will – dafür aber gerne uns, was?
Während ich mit ihm sprach, fiel sein Blick auf mein Namensschild und die Berufsbezeichnung PTA. Auf einmal fragt er mich, was das denn jetzt hier soll, warum er eigentlich von einer „Helferin“ beraten wird, ich hätte doch – mit Verlaub gesagt – keine Ahnung von der Materie. Das höre ich ja gerne.
Nächsten Montag findet eine Predigt statt – oder nicht
Ich versuchte, zunächst höflich und verbindlich zu bleiben, aber als er immer lauter vor sich hinblaffte, er will hier vom „Hans und nicht vom Hänschen“ bedient werden, aber auch nicht zufrieden war, als ich ihm anbot, dass die Apothekerin Sandra die Beratung weiterführen könne, platzte mir doch die Hutschnur und ich sagte zu ihm: „Wissen Sie, Herr Fuchs, wenn Sie sich bei uns so schlecht beraten fühlen, dann gehen Sie doch in die ‚Konkurrenzapotheke‘, vielleicht gefällt es Ihnen da besser.“
Er packte seinen Kram zusammen und rief mit hochrotem Kopf: „Am Montag gehe ich erst einmal zum Arzt, und danach halte ich Ihnen allen eine Predigt, denn das, was Sie mir hier mitgegeben haben, ist ja auf jeden Fall falsch! Und dann gehe ich zu Ihrem Chef und beschwere mich über Sie.“ Sprachs und verschwand wutschnaubend.
Letzten Montag war er tatsächlich wieder da. Er kam direkt vom Arzt, hielt aber niemandem irgendeine Predigt und beschwerte ich auch nicht beim Chef. War wohl doch nicht sooo verkehrt unsere Beratung. Kunden, wie wir sie lieben.