Über 700 Eingeborene einer Region im Amazonasgebiet haben US-Forscher zur Calcium-Score-Messung in einem CT-Scanner untersucht. So gesunde Arterien im höheren Lebensalter wurden noch bei keiner Bevölkerung beschrieben. Die Tsimané leben in einem von der Außenwelt weitgehend abgeschnittenen Teil des Regenwalds im Amazonas-Becken in Bolivien, sind zugleich bio-psycho-sozialer Forschungsschwerpunkt.
Etwa 16.000 Menschen leben im vorindustriellen Lebensstil von der Jagd, dem Fischfang, der Landwirtschaft- und Sammlertätigkeit sesshaft in fast 100 Dörfern. Bei den bolivianischen Tsimané können Angaben zum Alter nur geschätzt werden. Es erstaunt deshalb auch nicht, dass in der umfangreichen Literatur über diese Ethnie detaillierte Angaben zu durchschnittlicher Lebenserwartung, Mutter- und Säuglingssterblichkeit weitgehend fehlen. Meine Recherchen für Bolivien insgesamt ergaben:
Lebenserwartung bei Geburt (Männer):
Lebenserwartung bei Geburt (Frauen):
Geburtenrate
Kindersterblichkeit
Weitere Details zu Genetik-, Epigenetik- und Lebensstil-Faktoren hier.
UNM-UCSB Tsimane Health and Life History Project
Selbst das bereits im Jahr 2001 begonnene „UNM-UCSB Tsimane Health and Life History Project“ fokussiert sich zwar auf Gesundheit, Anthropologie, Ökologie, Evolution, Lebenszyklus, Wachstum und Entwicklung, Alterung, Ökonomie, Biodemografie, biomedizinische und anthropologische Forschung bei der umschriebenen kleinen Population von Jägern, Sammlern, [Fischern], Gartenbauern und Landwirten. Es stellt aber zum o. a. Themenbereich keine harten Daten und Fakten zu Verfügung.
["health and anthropology project aimed at understanding the impacts of ecology and evolution on the shaping of the human life course. We focus on health, growth and development, aging, economics and biodemography of small-scale populations of hunter-gatherers and horticulturalists. We also combine biomedical and anthropological research with medical attention among Tsimane, an indigenous forager-farming group living in central lowland Bolivia in the Beni Department. Research with the Tsimane of Amazonian Bolivia began in 2001 under the joint directorship of Michael Gurven (Anthropology, University of California Santa Barbara) and Hillard Kaplan (Anthropology, University of New Mexico)"].
Technologie-Gesellschaften ermöglichen auch gesunde Blutgefäße
Für hochtechnisierte, global operierende und migrierende Gesellschaften sind gesundheitsfördernde und krankheitsvermeidende Lebensstilinterventionen beim KHK-Risiko ebenfalls beschrieben: „Genetic Risk, Adherence to a Healthy Lifestyle, and Coronary Disease“ von Amit V. Khera et al. schlussfolgern, dass genetische Faktoren und Lebensstilfaktoren unabhängig voneinander mit der Empfänglichkeit für Erkrankungen der Koronararterien assoziiert sind. Selbst bei hohem genetischen Risiko konnte ein günstiger Lebensstil das relative KHK-Risiko um fast 50 Prozent senken
[„Conclusions – Across four studies involving 55,685 participants, genetic and lifestyle factors were independently associated with susceptibility to coronary artery disease. Among participants at high genetic risk, a favorable lifestyle was associated with a nearly 50% lower relative risk of coronary artery disease than was an unfavorable lifestyle“].
Ergebnisse der KHK-Risiken
Weitere Ergebnisse dieser Großstudie: Das relative Risiko eines inzidenten Koronarereignisses war um 91 Prozent (!) höher bei Teilnehmern mit hohen genetischen Risiken als bei denen mit niedrigen genetischen Risiken
[„Results – The relative risk of incident coronary events was 91% higher among participants at high genetic risk (top quintile of polygenic scores) than among those at low genetic risk (bottom quintile of polygenic scores) (hazard ratio, 1.91; 95% confidence interval [CI], 1.75 to 2.09)“].
Meine persönlichen Schlussfolgerungen
Können Lebensweisen von Jägern und Sammlern, Fischern und Gartenbauern den Menschen in (post)industriellen Gesellschaften wirklich weiterhelfen?
Das indigene, isolierte, stammes- und clanmäßig organisierte, naturnahe permanent lebensenergie-, kraft- und arbeit- fordernde Leben der bolivianischen Tsimané mit seinem hohen Unfall-, Krankheits- und Hungerrisiko ist bewundernswert. Detaillierte Daten zu Säuglings-, Kinder- und Erwachsenen-Sterblichkeit, Infektions-epidemiologischer Situation bzw. Lebenserwartung fehlen, weil das Alter nur geschätzt werden kann.
Dennoch ist der Lebenstil der Tsimané im Vergleich zu einer entwickelten Industriegesellschaft, die eine hohe Lebenserwartung mit ärztlicher Versorgung, ein niedriges (Arbeits-)Unfall- und Sterberisiko, Hygiene, Mobilität, Technisierung, Arbeitsteilung, Freizeit, Urlaub, Kommunikation weitgehend gesicherte Einkommen, Renten und Grundsicherung, medizinisch-soziale, psychologische und epidemiologische Absicherung, informationelle Selbstbestimmung, Altersversorgung, kulturelle, emotionale und psychosoziale Reflexion bietet, meines Erachtens keineswegs alternativlos.
Dazu auf Twitter
Das #Volk der gesunden #Herzen: #Ureinwohner im Amazonasgebiet haben im hohen #Alter ungewöhnlich gesunde #Arterien. https://t.co/uaBHyNYgk3
Antwort auf @DocCheck: Naturnahe, lebenslange Schwerstarbeit bolivianischer Tsimanés riskant und bewundernswert. Lebenserwartung? Hungersnot? Ohne soziale Hängematte!