Mit Herr Xanander habe ich ähnliche Diskussionen wie mit der alten Dame aus dem letzten Teil. Beiden brauchen „gelegentlich etwas mehr“. Diskutieren, ob er von Beruhigungsmitteln abhängig ist, muss ich mit ihm aber nicht. Was als Substitution gedacht war, ist bei ihm ein "dazu".
Außer den älteren, meist weiblichen, Beruhigungsmittelabhängigen gibt es noch den zweiten Typ Süchtiger. Dieser hat oft schon eine Drogenvorgeschichte – manchmal nur Alkohol, häufig stärkeres – und bekommt die Beruhigungsmittel vom Arzt als eine Art Substitution. Die Idee hier ist: „anstatt“. Leider ist das häufig ein „dazu“. Ein Beispiel für diesen Typ wäre Herr Xanander. Herr Xanander ist um die 30, sichtbar tätowiert, groß, sehnig, hat lange Haare und ist allgemein eine beeindruckende Erscheinung. Nicht unbedingt im positiven Sinn. Ich bin sicher, er hat auf der Straße immer viel Platz zum Laufen. Er weiß das und setzt es gezielt ein, um vielleicht mich oder meine Kolleginnen unter Druck zu setzen und einzuschüchtern. In der Hoffnung, dass er so bekommt, was er will. Mit ihm habe ich ähnliche Diskussionen wie mit Frau Dormodalm aus dem Post vorher – mit der Ausnahme vielleicht, dass ich mit ihm nicht diskutieren muss, ob er jetzt abhängig ist oder nicht. Dafür bekomme ich von ihm anderes zu hören. Er baut sich dafür vor mir auf, funkelt mich böse an und legt los. Mal wieder.Herr Xanander: „Ich brauche meine Tabletten. Und sie sollen nicht meinem Arzt anrufen. Der hat gesagt, ihm stinkt das langsam bei mir, dass er ständig Anrufe von Apotheken bekommt!“Pharmama: „Nun, wir müssten ihm nicht anrufen, wenn sie nicht ihre Medikamente zu früh holen würden. Zum wiederholten Mal.“Herr Xanander: „Ich war heute bei ihm. Und wir hatten eine Diskussion darüber, was „bei Bedarf“ bedeutet. Er sagt, ich habe pro Tag 2 Tabletten vom Stilnox gut. Eine normal und eine zusätzlich, also sind das 2 pro Tag!“Pharmama: „Ja. Das haben wir so schon drin als Dosierungsanweisung – und auch so eingerechnet. Trotzdem sind die Abstände regelmäßig kürzer gewesen als alle 15 Tage.“Herr Xanander: „Und ich möchte mich bei ihnen über ihre Kollegin beklagen. Sie wissen schon, die mit (Beschreibung folgt). Sie hat mir das letzte Mal, als ich hier die Stilnox holen wollte, die Tabletten verweigert!“Pharmama: „Ja, weil es wieder zu früh war.“Herr Xanander: „Ja, mag sein. Aber wissen Sie, was sie mir gesagt hat, als ich gesagt habe, dass ich keine mehr habe und ohne nicht schlafen kann? Sie hat gesagt, dass sie auch gelegentlich mal eine Nacht nicht schlafen kann. Das sei kein Weltuntergang!“ Ernstes Nicken meinerseits.Herr Xanander: „Außerdem hat sie gesagt, wenn ich vorher von den Stilnox eine neue Packung will, muss ich den Arzt anrufen – der Arzt will aber nicht, dass ich ihn wegen so etwas störe! Und Sie auch nicht!“Pharmama: „Nun, ich rufe ihm nicht an, weil es mir Spaß macht, sondern wenn Sie sich nicht an die verschriebene Dosierung halten.“Herr Xanander: „Ich brauche halt gelegentlich etwas mehr. Da ist ja nichts dabei!“Pharmama: „Doch, weil dieses Medikament stärker kontrolliert wird als Aspirin oder so.“Herr Xanander: „Aber was, wenn ich früher welche brauche? Sie wissen ja, dass man die nicht einfach absetzen soll, da könnte es epileptische Anfälle geben, hat der Arzt selber gesagt!“Pharmama: „Ja, aber das ist bei Ihnen und in der Dosierung noch nicht unbedingt zu erwarten.“ Herr Xanander funkelt mich wieder böse an.Pharmama: „Hmmm. Es scheint, als müssten wir da wieder etwas Rhythmus reinbringen. Heute ist der (Datum) das heißt, ich kann sie Ihnen geben. Ich schreibe ihnen auf die Packung, ab wann sie die nächste beziehen können. Aber wenn das nicht funktioniert, wäre auch die wöchentliche Abgabe einer bestimmten Menge eine Variante. Der Arzt hat das beim letzte Mal, als wir telefoniert haben, für eine gute Idee gehalten. Wenn Ihnen das lieber ist, können wir das so einführen.“Herr Xanander: „Nein, nein, ist schon gut. Schreiben Sie mir halt auf die Packung, wann ich die nächsten holen darf. Ich komme dann.“ Ja – da bin ich mir sicher.