Das Problem eines jeden Famulus ist die Antwort auf die wiederkehrende Frage: „Kannst du schon ...?“. Voller Ehrgeiz, Respekt und Neugier tingelt jeder in einem riesigen Übergangsbereich zwischen „Nein“ und „Ja“.
Nach einem langen Tag im Krankenhaus treffe ich meine Uni-Mädels auf ein Feierabend-Bier. Wir sehen uns in den Ferien so wenig, die Wiedersehensfreude ist groß. Für die Famulatur sind wir in unterschiedlichsten Fachrichtungen gelandet – unsere Beobachtungen sind dafür erstaunlich gleich. Ein Problem ist tatsächlich jeder einzelnen von uns begegnet. Wie schafft man am besten den Sprung, selber Hand anlegen zu dürfen?
Vertrauen ist gut...
Auf der einen Seite gibt es die Ärzte und Pfleger. Um Anfallendes innerhalb der Arbeitszeit zu schaffen, müssten die sich regelmäßig vierteilen. Auf der anderen Seite stehen motivierte Studenten, die während ihrer Famulatur möglichst viel lernen und selber machen wollen – faktisch aber oft eher unterfordert und gelangweilt sind.
Man sollte meinen, dass diese beiden Interessen leicht zu vereinbaren sind: Die Studenten übernehmen Arbeit von Ärzten und Pflegern und alle sind glücklich. Doch das benötigt Vertrauen. Für Fehler haftet hier nicht der Student, sondern die delegierende Person.
Aber wie soll ein Arzt sich auf eine Person verlassen, die er am Morgen erst kennen gelernt hat? Warum soll ein Pfleger jemanden anlernen, der nach ein paar Wochen wieder weg ist? Wie schätzt man realistisch ein, was dieser Student kann und nicht kann?
Die entscheidende Frage
Zu lösen ist das nur über Kommunikation. So checken Ärzte und Pfleger den Wissensstand häufig mithilfe eines "Kanns du schon...?" ab. Innerhalb von Sekunden entscheidet sich jetzt, ob der Student selber ans Werk darf oder nicht. Mir flitzen da regelmäßig tausend Gedanken durch den Kopf. Die Frage scheint einfach, doch die Antwortmöglichkeiten sind komplex. Mit den Uni-Mädels habe ich bei unserem Feierabend-Bier verschiedene Strategien verglichen.
Der Begriff können ist zwar irgendwie dehnbar, aber ehrlich müsste man als Famulus darauf wohl immer mit einem klaren „Nein“ antworten. Um eine Maßnahme sicher zu können, muss man sie hunderte Male bei unterschiedlichsten Patienten durchgeführt haben – und das ist bei den wenigsten Studenten der Fall.
Problem: Die Reaktion auf die Antwort „Nein“ ist in der Regel gleich. Ein „Nein“ nimmt die Hoffnung, durch Delegation Zeit zu sparen. Im Gegenteil: Mit Anleitungen oder Erklärungen dauert es in der Regel länger. Die fragende Person ist daher oft innerhalb von Sekunden verschwunden und macht es lieber selbst.
Vieles ist man in der Uni bereits theoretisch durchgegangen. Oft hat man es auch schon viele Male beobachtet oder gezeigt bekommen. Wirklich lernen wird man Handgriffe jedoch erst, wenn man sie selber durchführt. Falsche Bescheidenheit bringt einen hier nicht weiter.
Problem: Zu viel Selbstbewusstsein ist hier tückisch. Nach einem „Ja klar“ steht man in der Regel alleine vor der Aufgabe. Läuft es dann nicht, ist das nicht nur peinlich, es gefährdet zudem sowohl die Patienten, als auch die eigene Glaubwürdigkeit. Das Vertrauen der Mentoren strapaziert man besser nicht. Sobald durchsickert, dass man den Mund regelmäßig zu voll nimmt, überlässt einem so schnell niemand mehr irgendwas.
„Nein, aber zeigst du es mir?“ ist eine elegante Antwort, um das Gegenüber nicht mit einem „Dann mache ich das selbst!“ entwischen zu lassen. Erfahrungsgemäß wird selten abgelehnt.
Problem: Können tut man es danach immer noch nicht. Entscheidend ist, jedem Detail Aufmerksamkeit zu schenken. Wo finde ich die Utensilien? Was brauche ich alles? In welcher Reihenfolge mache ich was? Je besser man sich alles einprägt, desto schneller kann zur Anfänger-Variante übergegangen werden.
Die Kunst ist, das übersteigerte „Ja klar“ zu vermeiden und trotzdem die Chance zu behalten, selber zur Tat schreiten zu dürfen. Gute Erfahrungen habe ich mit der Antwort „Sicher bin ich darin noch nicht – bleibst du nochmal dabei?“. So behält man den Ansprechpartner für unerwartete Probleme und kann eventuell noch nützliche Tipps abstauben.
Problem: Für die Profis ist das die zeitaufwändigste Variante. Gut möglich, dass man hier nicht immer auf Begeisterung stößt. Ich mache so allerdings die besten Fortschritte.
Die Moral von der Geschicht
Das hat mich zu dem Schluss gebracht, den Missmut in Kauf zunehmen – in der Hoffnung, irgendwann das Stadium des inbrünstigen „Ja klar!“ zu erreichen.
Das Ziel muss ein gutes Vertrauensverhältnis sein. Das ist eine Frage der Kommunikation! Je ehrlicher und realistischer man beim eigenen Wissensstand ist, desto besser wird man auch angeleitet.