Schlucken Patienten ihre Medikamente nicht, steckt dahinter oft eine bewusste Entscheidung. Zu diesem Ergebnis kommen französische Forscher. Sie fordern mehr Kommunikation, denken aber nur an Ärzte. Welchen Beitrag Apotheker leisten könnten, zeigen weitere Studien.
Gesundheitsökonomen beziffern alle direkten Kosten der Non-Compliance, etwa durch Krankenhauseinweisungen, auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen indirekte Kosten, beispielsweise durch Arbeitsunfähigkeit. Detaillierte Zahlen gibt es nicht – die Schätzungen variieren immens. Fest steht, dass jeder zweite Patient bei einer Langzeittherapie seine Medikamente nicht wie vom Arzt oder Apotheker vorgesehen einnimmt. Forscher haben sich jetzt auf die Suche nach Erklärungen gemacht.
Stéphanie Sidorkiewicz von der Université Paris Descartes befragte 128 Patienten und holte separat die Meinung von Ärzten ein. Rund 19 Prozent aller von Medizinern als wichtig bewerteten Präparate wurde nicht richtig eingenommen. Dazu gehörten Antidiabetika, Antihypertensiva oder Präparate zur Therapie seltener Lungenerkrankungen. Wer jetzt an leere Pillenpackungen oder Einnahmefehler aufgrund komplexer galenischer Systeme denkt, übersieht das wahre Problem. In jedem zweiten Fall entschieden sich Patienten laut Sidorkiewicz bewusst dafür, ihre Medikation abzusetzen. Sie zweifelten an der Sinnhaftigkeit der Therapie oder hatten mit schweren Nebenwirkungen zu kämpfen. Demgegenüber standen Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes mit anfangs vergleichsweise geringem Leidensdruck. Ernsthafte Probleme treten deutlich später auf.
Stéphanie Sidorkiewiczs Ergebnisse überraschen kaum. Sie zeigen aber, dass die Kommunikation zwischen Arzt und Patient auf Augenhöhe nur selten funktioniert. Während die Forscherin vor allem Mediziner in der Pflicht sieht, könnten Apotheker ebenfalls ihren Beitrag leisten. Dies zeigten Wissenschaftler im Rahmen einer Übersichtsarbeit. Sie fanden bei 26 aller 42 eingeschlossenen Studien eine statistisch signifikante Verbesserung der Therapietreue von bis zu 35 Prozent. Und bei gefährdeten Patienten senkt die apothekerliche Beratung das Risiko, an Typ 2-Diabetes zu erkranken. Gespräche und Gruppenschulungen führen dazu, dass Diabetes-Gefährdete sich mehr bewegten, Übergewicht abbauten und ihre körperliche Lebensqualität verbesserten. Ohne entsprechende Begleitung sinkt die Compliance auch bei nicht pharmazeutischen Maßnahmen.