Ich gebe es zu: Fingerknacken ist für mich eine akustische Folter. Das ist zwar eine Einstellung, die viele Menschen teilen, doch zunächst einmal eine persönliche Ansicht. Das Geräusch mag in den Ohren wehtun und lässt bei manchen sogar Gänsehaut entstehen, aber schadet das Knacken eigentlich den Fingergelenken?
Oder anders gefragt: Sollte jeder, der aus Spaß mit den Fingern knackt, für seine eigene Gesundheit schleunigst damit aufhören?
Dem Knacken auf die Finger geschaut
Obwohl Menschen seit vielen Generationen mit den Fingern knacken, war die Ursache für die Medizin lange eine Unbekannte. Was genau knackt da? Erst mit der Erfindung der Magnetresonanztomographie konnte man die Frage beantworten. Menschen wurden hierfür ins MRT gelegt und sollten dort entsprechend ihrer Gewohnheit mit den Fingern knacken. Alles wurde in Echtzeit aufgenommen und anschließend ausgewertet. Was konnten die Forscher sehen?
Beim Fingerknacken werden Gelenkspalten auseinandergezogen. Jedes Gelenk besitzt die Körperflüssigkeit Synovia. In dieser Flüssigkeit sind gelöste Gase, die durch das Auseinanderziehen kleine Blasen bilden. Diesen Bildungsprozess können wir alle hören, denn er erzeugt das so oft verhasste Knack-Geräusch.
Eine US-Studie fragt nach den Gesundheitsfolgen für die „Fingerknacker“
Seitdem man weiß, wie das Fingerknacken auf biologischer Ebene entsteht, stellt sich natürlich die nächste Frage: Ist es für die Betroffenen schädlich? Auch ich habe mir die Frage schon öfter gestellt und wäre aufgrund der persönlichen Abneigung gegen das Geräusch nicht überrascht gewesen, hätte sich ein Schaden nachweisen lassen. Doch tatsächlich kommt eine aktuelle Studie aus Kalifornien zur folgenden Antwort: Fingerknacken ist zumindest für die gegenwärtige Gesundheit der Menschen unbedenklich.
Wie war die Studie aufgebaut?
Die University of California bat 40 Freiwillige zur Untersuchung. Von diesen Teilnehmern waren 30 Personen in der Lage, mit ihren Fingergelenken zu knacken. Das bildet nicht ganz den Durchschnitt in der Realität ab. Ich und viele Physiotherapeuten haben in der Praxis die Erfahrung gemacht, dass 25 bis 50 Prozent der Menschen mit den Fingergelenken knacken können. Das bedeutet, jeder vierte bis zweite Mensch ist dazu in der Lage. Für die Studie wollte man aber natürlich mehr über die „Knackenden“ erfahren und hat entsprechend eine Mehrheit für diese Gruppe gewählt.
Wie hat die Studie nach möglichen Gesundheitsfolgen gesucht?
Die Hände der Probanden wurden in einer Voruntersuchung genau analysiert und bekamen die Anweisung, mindestens vier Stunden vor dem eigentlichen Test nicht willentlich zu knacken. Dann wurden sie in den Untersuchungsraum geholt und die Forscher baten jeden, mit den Fingern zu knacken bzw. dies zu versuchen, während ein Ultraschallgerät Echtzeitbilder der Hände lieferte.
Jeder sollte dafür die eigenen Finger am Grundgelenk festhalten und sie dann auseinanderziehen. Die zehn „Nicht-Knacker“ waren dabei die geräuschlose Kontrollgruppe, während die anderen 30 Teilnehmer die typischen Geräusche produzierten.
Im Anschluss untersuchten Ärzte eingehend die Verfassung der Hände. Es wurde ein Test zur Griffstärke durchgeführt, jedes Fingerglied auf Schwellungen untersucht und die Beweglichkeit gemessen. Zusätzlich füllten alle Teilnehmer einen Fragebogen aus, der unter anderem nach Handschmerzen im Alltag fragte. Eine Bewertungsskala von 1 bis 5 sorgte für eine Einschätzung der Belastung. Je höher am Ende die Gesamtzahl der Punkte war, desto schlechter war es um die Funktionalität der Hände bestellt.
Ergebnis: Auch beim Knacken bleibt alles im grünen Bereich
Die Auswertung konzentrierte sich auf 400 Gelenke und zeigte, dass es den Fingergelenken (und den Händen allgemein) in der „Knack-Gruppe“ ebenso gut ging wie denen in der Kontrollgruppe. Wer mit den Fingern knacken konnte, kam im Fragebogen auf 3,7 Punkte im Schnitt. Die Kontrollgruppe lag mit 3,2 Punkten nur unwesentlich darunter. Auch die ärztlichen Untersuchungen zeigten für beide Gruppen ähnliche Werte. Ist das Knacken also nur eine Folter für einige Ohren, nicht aber für die Gesundheit des Geräuschverursachers?
Ein Zweifel bleibt: mögliche, negative Langzeiteffekte
Die Studie bescheinigt beim Fingerknacken keine Gesundheitsschäden auf kurze Sicht, doch ein Ergebnis der Tests stimmt dennoch zweifelnd: Beim Range of Motion-Test (ROM-Test) zeigte sich in der Knack-Gruppe eine höhere Beweglichkeit, wenn man die gestreckte und gebeugte Fingerhaltung verglich. Ganze neun Grad mehr Bewegungsumfang wiesen die fingerknackenden Teilnehmer auf (144 ° statt 135 °). Und mehr ist in diesem Fall nicht besser. Mehr Spiel könnte ein höheres Risiko für Langzeitschäden mit sich bringen. Ob diese wirklich auftreten, kann die Studie aber aufgrund der kurzen Beobachtungszeit nicht sagen.
Mein Fazit
Die Studie aus Kalifornien war spannend zu lesen und bringt neues Licht in die Welt des Fingerknackens. Wo ältere Studie per se davor gewarnt haben, wird hier viel differenzierter auf die Finger geschaut. Keine akuten Schwellungen nach dem Knacken und keine Schwächung der Griffstärke sind auf jeden Fall beruhigend.
Für mich bleibt aber das Fragezeichen im Bezug auf die Langzeitwirkungen. Wer über Jahrzehnte mit den Fingern knackt, beeinflusst meiner Meinung nach die Gelenke. Erhöhte Reibung lässt den Gedanken an ein höheres Arthroserisiko bei mir aufkommen. Ob das Gewebe sich auf lange Sicht schneller abnutzt, sollen künftige Studien noch klären. Das haben auch die US-Forscher zur aktuellen Studie betont und geben den Gedanken an Langzeitrisiken damit Futter.
Das Fazit in einem Satz könnte daher lauten: Das Knacken der Fingerknöchel bringt keine direkte Gesundheitsgefahr mit sich, wie auch ein älterer Test in der WDR-Sendung „Kopfball“ zeigte, doch wer mögliche Langzeitschäden wie Arthrose ausschließen will, sollte darauf verzichten.
Und ein Tipp aus dem Alltag in der Physiotherapie
Bereitet das Knacken Ihnen Schmerzen, sollten Sie sofort davon absehen und einen Arzt aufsuchen. Bitte tun Sie das auch dann, wenn das betroffene Gelenk jenseits des Knackens keine Beschwerden verursacht. Die Schmerzen unter Druck sind ein Warnsignal, das früh gehört werden sollte, um größere Schäden einzudämmen. Möglich sind neben einer Arthrose auch Schäden an den Sehnen. Der Gelenkstatus sollte auf jeden Fall abgeklärt werden.
Quellen: