Natürlich gibt es auch weniger erfreuliche Aspekte bei der Arbeit... manche bekannt, manche unerwartet.
Natürlich, es ist nicht alles positiv. Auch wenn mir die Arbeit hier zugegebenermaßen mehr Spaß macht als zu Hause, ein nicht geringes Maß an Frust ist trotzdem dabei. Der größte Teil davon lässt sich auf mangelnde Ressourcen zurückführen, und damit habe ich, allem Gejammer über die Unzulänglichkeiten des belgischen Krankensystems zum Trotz, keine Erfahrung. Man mag mich dafür auslachen.
Sicher, ich kann verstehen, dass sehr spezielle und sehr teure Medikamente eine Genehmingung vom Spezialisten erfordern. Aber dass der nächste Spezialist drei Stunden entfernt arbeitet und seine Termine jetzt schon bis Weihnachten ausgebucht sind, kenne ich so nicht.
Ja, mir ist auch klar, dass gewisse Untersuchungen, für die personeller Aufwand oder teure Maschinen gebraucht werden, auch mal längere Wartezeiten für nicht ganz so dringende Fälle haben. Und bei den komplizierteren ist mir auch klar, dass ich als Allgemeinmediziner vielleicht vorher mit dem spezialisierten Kollegen Rücksprache halten sollte. Aber dass ich gar keinen Zugang habe, ist für mich neu. Und nicht nur zu den richtig teuren Spielsachen, ich darf nicht mal ein CT verschreiben. Und wenn ich der Meinung bin, ich bräuchte aber trotzdem eins, und nicht erst in drei Wochen, wenn meine schriftliche Anfrage an einen Termin beim Spezialisten verschickt, gesichtet und beantwortet worden ist, muss ich meinen Patienten telefonisch ans Krankenhaus überweisen. Die Aufnahme wird von den Registrars der jeweiligen Fachrichtung geregelt, und ich habe mittlerweile den Verdacht, dass gewisse Fachrichtungen sich aus Prinzip weigern, neue Patienten aufzunehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass ich trotz meines mittlerweile deutlich verbesserten Fachvokabulars immer noch Schwierigkeiten habe, meinen Standpunkt am Telefon mit Nachdruck zu vertreten.
Natürlich gibt es tausend Schleichwege, um doch irgendwie die Patienten in der Warteschlange nach vorne zu bugsieren oder Funding für Leistungen zu bekommen, auf die der Patient über das öffentliche System kein Anrecht hätte, aber ich verzweifle an den tausend verschiedenen Anbietern, die alle aufgrund unterschiedlichen Ursprungs und Trägerschaft verschiedene Bedingungen stellen... und natürlich völlig unterschiedliche Formulare erfordern.
Meine neuseeländischen Kollegen finden meine Verzweiflung erheiternd, meine neue kanadische Kollegin teilt meinen Frust.
Trotzdem, das extrem knappe Budget im öffentlichen Sektor (und kaum einer der Patienten der Praxis hat die Mittel, sich ausschließlich privat behandeln zu lassen) führt zu seltsamen Auswüchsen. Private Kliniken, vor allem Dermatologen, Zahnärzte und Kieferchirurgen, werben offen mit "flexiblen Zahlungsmodellen" und "extrem günstigen Raten". Und Mitte Januar wurde uns mitgeteilt, dass das vom District Health Board zur Verfügung gestellte Budget für Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen im lokalen Krankenhaus voraussichtlich im April aufgebraucht sein dürfte und alle nicht von der ACC bezahlten Untersuchungen der Praxis in Rechnung gestellt würden. Der Versuch, das verbleibende Budget so weit wie möglich zu strecken, indem wir alle Patienten, die die Möglichkeit haben, ins nächste Krankenhaus zu fahren, ihre Untersuchungen dort machen lassen, nimmt bizarre Formen an. Die Klinikärzte verfolgen offenbar ähnliche Ziele und geben, anstatt Folgeuntersuchungen selber zu verschreiben, nur im Arztbrief entsprechende Anweisungen an den Hausarzt, diese bitte zu veranlassen. Der Ball geht also hin und her, während man in der Praxis gleichzeitig darüber debattiert, ob es überhaupt sinnvoll sei, das Budget zu strecken, um im Rahmen zu bleiben, oder ob derartige Praktiken nur das DHB im Glauben bestärken, das Budget sei angemessen.
Letztenendes geht derartiger Kleinkrieg natürlich zu Lasten der Patienten, und damit ist keiner der Kollegen glücklich.
Natürlich kann es sein, dass ich etwas blauäugig an die Sache herangegangen bin. ich hatte mit Einschränkungen durch die demographischen Gegebenheiten gerechnet, aber weniger mit finanziellem Druck.