Nehmen Patienten direkte neue orale Antikoagulantien (NOAK) ein, sollten Ärzte chirurgische Eingriffe nach Möglichkeit um 24 bis 48 Stunden verschieben. Zu dieser Empfehlung kommen Forscher in einer aktuellen Arbeit. Antidota bleiben die Ausnahme.
Seit einigen Jahren verschreiben Ärzte zunehmend direkte orale Antikoagulantien (DOAK), auch neue orale Antikoagulantien (NOAK) genannt. Dazu gehören unter anderem Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban. Hersteller argumentieren, Patienten müssten nicht ständig wie bei Cumarinen ihre Gerinnungsparameter bestimmen. Ob es sich um Fakten oder Marketing handelt, ist zumindest bei Apothekern äußerst umstritten. Jetzt gingen Forscher der Frage nach, mit welchen Blutungsrisiken bei nicht planbaren Eingriffen zu rechnen ist.
NOAKs erreichen nach etwa zwei bis vier Stunden ihren Maximalwert im Blut. Müssen Ärzte zu diesem Zeitpunkt Notfalleingriffe durchführen, wird die Lage schnell brenzlig. Marc Maegele von der Universität Witten/Herdecke zufolge liegen nach 24 Stunden keine relevanten Plasmaspiegel mehr vor. Haben Patienten eingeschränkte Leber- oder Nierenfunktionen, können es sogar 48 Stunden werden. Die European Heart Rhythm Association (EHRA) empfiehlt, je nach Schwere des Eingriffs und Blutungsrisiko Wartezeiten zwischen zwölf und 48 Stunden einzuhalten. Bei Schwerverletzten führt dies bei der Akutversorgung zu einer Mortalität von 43 Prozent. Zum Vergleich: Ohne Antikoagulation liegt der Wert bei 17 Prozent.
Gleichzeitig stellen Ärzte viele ältere Patienten auf die vermeintlich bequemere Therapie um. Viele leiden an Vorhofflimmern und haben ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Nehmen Senioren gleichzeitig Sedativa oder Hypnotika ein, sind Stürze vorprogrammiert. Es bleibt nicht bei Frakturen. Lebensgefährliche Blutungen kommen mit hinzu. „Aufgrund unzureichend valider Testsysteme sind DOAKs in Bezug auf die Blutungssituationen eine Herausforderung in der traumatologischen Notfallsituation“, schlussfolgert Maegele. Nur gegen Dabigatran ist das monoklonale Antikörperfragment Idarucizumab erhältlich. Zum Vergleich: Cumarin-Derivate wirken als Vitamin K-Antagonisten. Ärzte haben die Möglichkeit, Vitamin K als Antidot einzusetzen. Nicht immer sind ältere Wirkstoffe die schlechtere Wahl.