Madame P. ist den Tränen nahe. Dr. Aube gibt sich alle Mühe, aber ihre Patientin lässt sich nur schwer trösten. Wie auch. Sie hat gerade erfahren, dass wir sie nicht heilen können und trauert um den Verlust ihres Augenlichtes. Und das im jungen Alter von 48 Jahren.
Trüber Status Quo
Gerade hat Madame P. verstanden, dass sie durch die Behandlung nicht ihre volle Sehkraft wiedererlangen wird. Die Ärztin kann mit der medikamentösen Therapie nur dafür sorgen, dass zumindest der Status Quo aufrecht erhalten bleibt.
Bei frühzeitiger Diagnose kann der Augeninnendruck mittels regelmäßiger Gabe von Augentropfen oder auch einer chirurgischen Intervention in Schach gehalten werden. Madame P. ist leider erst viel zu spät beim Augenarzt vorstellig geworden. Wie viele Patienten in meinem Uni-Krankenhaus hat sie afrikanische Wurzeln und lebt noch nicht lange in Frankreich. Nicht immer hatte sie problemlos Zugang zu medizinischer Versorgung.
Hilfe zur Selbsthilfe
Beim Sehtest hat Madame P. selbst Buchstaben von einer Größe von etwa 10 cm aus einer Entfernung von 3 m nur erahnen können. Und statt die zum Abschied ausgestreckte Hand der Ärztin zu schütteln, ist sie fast dagegen gelaufen, weil ihr Sichtfeld so stark verkleinert ist. Gut, dass Dr. Aube sie für ein Programm angemeldet hat, in dem sie lernt, sich im Alltag weiterhin gut zurechtzufinden und so lange wie möglich autonom zu bleiben.
Eine Früherkennungsuntersuchung für das Glaukom wird in Deutschland ab dem 40. Lebensjahr empfohlen, ist aber eine Leistung, die der Patient nicht von seiner Krankenkasse erstattet bekommt. Auch in Frankreich gibt es kein nationales Früherkennungsprogramm. In unserer Klinik findet immerhin ein Aktionstag im Jahr statt, an dem Patienten kostenfrei ihre Augen untersuchen lassen können. Bestimmt gibt es so etwas in Deutschland ebenfalls.
Prävention: Es ginge deutlich mehr
Auf der Internetseite der TK ist zu lesen, dass nicht erforscht sei, ob ein bundesweites Programm zur Prävention sinnvoll wäre. Dabei gehe es zum Beispiel darum, ob möglicherweise falsch positive Befunde entstehen könnten.
Aus meiner Sicht ist dieses Argument in diesem Fall allerdings nicht besonders schlagkräftig. Denn für die Messung des Augeninnendrucks gibt es zwei Möglichkeiten, die eine (per Luftstrahl) ist etwas ungenauer, könnte aber vermutlich gut als Screening eingesetzt werden und somit alle „verdächtigen“ Patienten herausfischen. Die andere (per Druckstempel) ist genauer, bedarf aber ein klein wenig mehr Training desjenigen, der die Maschine bedient und könnte bei all denen angewendet werden, die in der ersten Untersuchung auffällig geworden waren.
Ob es dann wirklich noch Leute gäbe, bei denen nur fälschlicherweise ein Glaukom diagnostiziert wird? Das kann ich mir nicht vorstellen. Vermutlich spielen wirtschaftliche Überlegungen die größere Rolle.
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