Ich besuchte kürzlich eine Fortbildung für PTA und Apotheker. Es ging um den richtigen Umgang mit Cannabis. Weil hier noch ordentlich Wissensbedarf besteht, habe ich wichtige Fragen zur Handhabung gestellt und für euch mitgeschrieben.
Ich erhielt kürzlich eine Einladung zu einer Fortbildung zum Thema „Cannabis in der Apotheke“. Als Besucher der Veranstaltung fiel mir der hohe Männeranteil bei ansonsten ebenfalls großem Besucherandrang auf. Zu diesem Thema gibt es eben nach wie vor eine breite Wissenslücke bei uns Apothekenmitarbeitern.
Letzte Woche hatte ich diesbezüglich einen Blogbeitrag des geschätzten Arztes und Bloggers Dr. Schätzler gelesen. Damit bekam ich die Inspiration, die ich brauchte, um vor unbekannten Zuhörern Fragen zu stellen.
Folgende Fragen habe ich mir zur Klärung während der Fortbildung notiert:
1. Gibt es zu dem Thema evidenzbasierte Studien?
Antwort: Es gibt Studien zum Thema Cannabis bei verschiedenen Indikationen, jedoch nur sehr wenige. Mit gerauchtem THC sogar noch weniger. Deren Ergebnisse waren außerdem wenig überzeugend – Wunder sind also durch die Joints von der Krankenkasse also nicht zu erwarten.
2. Haben Marihuana Blüten wirklich zu keiner einzigen Indikation eine Zulassung?
Antwort: ja, das trifft zu.
3. Wie kann es sein, dass die Krankenkassen dann eine Therapie übernehmen müssen, für die es keine Indikation und keine aussagekräftigen Studien gibt?
Antwort: Der Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat dazu gesagt: „Wir wollen, dass für Schwerkranke die Kosten für Cannabis als Medizin von ihrer Krankenkasse übernommen werden, wenn ihnen nicht anders geholfen werden kann. Außerdem wollen wir eine Begleitforschung auf den Weg bringen, um den medizinischen Nutzen genau zu erfassen.“ Das bedeutet, dass die Verordnungen von Cannabis nicht wie bei anderen Wirkstoffen an die Indikationen gebunden sind, sondern vielmehr an den „schwerkranken Patienten“.
Und warum das? Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung bezeichnet das als „moderne Drogen- und Gesundheitspolitik“. Ich gehe mit Herrn Dr. Schätzler konform, dessen Einschätzung es ist, dass „man zu völlig obskuren Bedingungen eine völlig undurchsichtige Cannabis-Blüten-Therapie frei(gibt), weil man die eigene, grandios gescheiterte Drogenpolitik und den irregeleitete(n) Umgang mit Abhängigkeitskrankheiten damit nur allzu leicht kaschieren kann.“
4. Fallen wir nicht in ein pharmazeutisches Mittelalter zurück wenn man plötzlich getrocknete Blüten mit nicht genau einstellbarem Gehalt statt standardisierten Extrakten verordnet?
Antwort: es ist sogar die pharmazeutische Steinzeit. Kommt ein Kunde mit „Digimerck“ auf dem Rezept, könnten wir ihm stattdessen auch einen Fingerhuttee anbieten, das wäre vergleichbar.
Für mich persönlich habe ich bei der Fortbildung ebenfalls einige Dinge im Umgang mit diesen Verordnungen mitgenommen.
Wichtige Informationen, die ich sammeln konnte:
1. Dem Staatsanwalt ist es egal, ob es Klosterfrau Melissengeist oder ein Wodka war, den ich getrunken habe, wenn ich mich hinters Steuer setze. Ebenfalls ist es ihm Jacke wie Hose, ob der THC-Test durch Medizinalhanf oder Lemon Haze positiv anzeigt – der Führerschein ist weg.
2. Den „kleinen Dosierlöffel“ für die Kundschaft kann man bei WEPA bestellen (Best.Nr.:066207).
3. Niemand weiß, ob wir die Cannabisblüten jetzt in der Rezeptur oder in der Teeecke verarbeiten sollen.
4. Die Referenzsubstanzen zur Identitätsprüfung bekommt man bei THC Pharma, und sie kosten einen dreistelligen Eurobetrag.
5. Die Dosierungsanleitung auf dem BTM-Rezept „Dosierung laut schriftlicher Anweisung“ genügt nur dann, wenn die Anweisung der Apotheke tatsächlich schriftlich vorliegt.
6. Dronabinol Tropfen und Kapseln müssen jetzt ebenfalls vom Arzt bei der Krankenkasse zur Erstattung vorab genehmigt werden.
7. Zur sinnvollen Dosierung durch den Patienten sollte diesem die Anschaffung einer Goldwaage ans Herz gelegt werden, mit der er das Cannabis bis auf das Milligramm genau abwiegen kann.
8. Wir als Apotheke müssen uns eine Kräutermühle anschaffen, sonst können wir die Blüten nicht verarbeiten.
9. Eine Kindersicherung wie bei anderen BTM muss nicht sein, da Cannabis ja erhitzt werden muss, bevor sich die Wirkung entfaltet. Kinder würden die Blüten aber maximal essen, und das ist nicht gefährlich.
10. Wir sollten den Patienten darauf hinweisen, dass es eine Weile dauert, bis die individuell sinnvolle Dosis eingestellt ist. Dazu ist die Compliance extrem wichtig, und auch der zeitliche Abstand zum Essen, der immer möglichst gleich eingehalten werden sollte.
Alles in allem war es sehr interessant, aber trotzdem bin ich weit davon entfernt, mich im Thema „sicher“ zu fühlen. Ehrlich gesagt hoffe ich, dass der „Kelch“ Cannabis-Verordnung noch eine ganze Weile an uns vorbei geht.