Von einem Aufenthalt in den Staaten träume ich schon sehr, sehr lange, deshalb stand nach dem Physikum für mich fest: Entweder nutze ich jetzt die Gelegenheit und verbringe ein Semester im Ausland oder nie.
Meinen Aufenthalt in den USA habe ich noch vor mir, aber meine Bewerbung für ein Auslandssemester an der Brown University musste ich schon viel früher fertig stellen, deshalb möchte ich mit euch meine Tipps und Tricks für eine erfolgreiche Bewerbung teilen. Es gibt viele Wege, die nach Rom führen. Dies ist meiner.
Du solltest dich mindestens ein bis zwei Jahre vor dem geplanten Aufenthalt mit der Bewerbung befassen. Das klingt vielleicht erstmal zu lang, aber wenn du an eine gute Uni möchtest, kann es sein, dass die Plätze schon vergeben sind, wenn du dich zu spät bewirbst.
Schau erst, ob deine Uni Partnerunis in den Staaten hat, so war es in meinem Fall und das hat einiges erleichtert. Dann kümmerst du dich erst um Formales: Fristen, Umfang der Bewerbung, Zeugnisse, Gutachten, Finanzierung.
Motivationsschreiben und Gutachten: Kernstücke der Bewerbung
Die zwei wichtigsten Dinge an deiner Bewerbung sind A) das Motivationsschreiben, denn hier kannst du punkten und ausführlich darlegen, warum du geeignet für diesen Platz bist und warum du ihn unbedingt willst und B) ein Gutachten oder eine Empfehlungen.
Ich persönlich hasse es, Bewerbungen zu schreiben, aber man muss einfach anfangen. Beginne mit dem Motivationsschreiben, denn Dinge wie der Lebenslauf sind das kleinste Problem. Schreib erst drauf los, ganz ohne Struktur und dann schläfst du eine Nacht über dein unstrukturiertes Motivationsschreiben. Am nächsten Morgen wird aufgeräumt und es geht an die Struktur.
Zu Beginn habe ich ausführlich erklärt, warum ich genau an diese Uni möchte. Hierzu erweist es sich als hilfreich, wenn du vorher alles, und ich meine auch wirklich alles, über die Uni und ihre Medical School weißt. Das ist gut investierte Zeit, denn falls es zu einem Gespräch kommt, wirst du dieses Wissen sowieso brauchen. Es wäre in diesem Fall peinlich, simple Fragen nicht beantworten zu können.
Erfahrungsberichte sollten unbedingt gelesen werden
Außerdem wusste ich genau, welche electives oder clerkships ich machen will bzw. welche Seminare ich bei wem besuchen möchte. Schaut euch einfach die Seite der Medical School und ihr Angebot an. Auf famulaturranking.de habe ich mir dazu die Berichte durchgelesen. Generell ist es sehr von Vorteil, wenn du die Erfahrungsberichte, die du findest, auch genau liest.
Außerdem wusste ich, wen ich dort treffen will. Ich beobachte seit langem die Arbeiten von zwei verschiedenen Forschungsgruppen meiner Wunschuni. In meinem Fall gab es also ein ganz bestimmtes Thema, das mich sehr interessierte. Das ist sicherlich von Vorteil, heißt jetzt aber nicht, dass du dir einfach irgendwelche Namen merken solltest, das wäre nicht authentisch und würde spätestens im Gespräch auffliegen.
Du solltest außerdem das amerikanische Gesundheitssystem und die Besonderheiten der medizinischen Lehre kennen, beispielsweise dass schon sehr früh Unterricht am Krankenbett stattfindet, welche Examina es gibt, etc.
Und warum jetzt genau du?
Kommen wir zum nächsten Punkt: Warum du? Dies ist meiner Meinung nach der unangenehmste und schwierigste Part der ganzen Bewerbung. Es gibt einen schmalen Grad zwischen Protzerei und einer sympathischen „Ich habe alles dafür getan und bin bereit, weiterhin viel Arbeit, Mühe und Kraft zu investieren“-Einstellung.
Über dieses Thema habe ich mich mit einem Chefarzt unterhalten, den ich zufällig getroffen habe und der viele Jahre in einer Klinik in den USA gearbeitet hat. Er erzählte mir: „Du darfst nicht so streng ‚deutsch‘ denken. Zeig denen, wie viel du geleistet hast. Als ich meinen ersten Vortrag über meine Forschungsarbeiten vor den Kollegen gehalten habe, erzählte ich dabei ganz ehrlich, was nicht so gut lief und woran wir noch arbeiten müssten. Alle in diesem Raum fanden meinen Vortrag grottenschlecht. Ein anderer Kollege wies mich dann darauf hin, dass ich doch eher sagen solle ‚Ach das, das bekommen wir in den Griff, ist doch alles machbar‘.“
Immer authentisch bleiben
Das meinen die Amerikaner also mit ihrer „we can do it“-Mentalität. Es ist sicherlich nicht jedermanns Sache, einige empfinden eine solche Herangehensweise als oberflächlich, andere nicht. Du musst für dich entscheiden, wie du rüberkommen möchtest. Ich persönlich habe eher Probleme mit der Prahlerei. Deshalb ist es für mich wichtig gewesen, meine Leistungen zwar zu betonen, aber dabei nicht aufgesetzt zu wirken, denn dann wäre ich früher oder später sowieso aufgeflogen.
Die Jury möchte hören, warum der Auslandsaufenthalt genau dir viel bringen würde. Hier solltest du keinesfalls sagen, dass du dein Englisch verbessern und die amerikanische Kultur kennenlernen möchtest. Denn dein Englisch kannst du auch in Großbritannien auf einer Sprachschule verbessern und die Kultur – tja, da kann es passieren, dass du dann den Kulturbegriff definieren musst und sie dir anschließend sagen, eine Famulatur oder ein Urlaub würde völlig ausreichen, um die Kultur kennenzulernen. Wenn sie besonders unfreundlich sind, werden sie zickig und fragen dich, ob du ernsthaft glaubst, dass sie dir einen Auslandsaufenthalt finanzieren oder ermöglichen, damit du „Urlaub“ machen kannst.
Wie sehen deine akademischen Ziele aus?
Es geht hier vielmehr um akademische Ziele, überlege dir genau, wie dich dieses Semester akademisch und karrieretechnisch weiterbringen soll. Und nicht vergessen: Wenn du von deinen Eigenschaften erzählst, zum Beispiel dass du teamfähig bist, dann versuche, diese Aussagen auch zu belegen. Hier kannst du auch dein komplettes außeruniversitäres Engagement aufzählen. Bist du Tutor? Arbeitest du ehrenamtlich irgendwo? Aktivitäten wie Nachhilfe zählen nicht, ich habe hier nur Projekte erwähnt, in die ich mein ganzes Herzblut gesteckt habe.
Kümmere dich rechtzeitig um Empfehlungsschreiben oder Gutachten, falls diese verlangt werden. Frag am besten einen Prof., der dich schon etwas länger kennt oder für den du schon mal gearbeitet hast, denn nur dann ist er bereit, wirklich viel Zeit in ein ehrlich gemeintes, gutes Gutachten zu investieren.
Zum Schluss geht es um ein paar letzte Details und Fragen, die möglicherweise im Vorstellungsgespräch gestellt werden könnten. Ganz klassisch, wie bereits angedeutet, ist die Frage, warum es unbedingt die USA sein müssen und nicht Großbritannien oder Australien.
Auf einen guten Mix kommt es an
Außerdem ist Politik immer ein wichtiges Thema. Du könntest zum Beispiel gefragt werden, wie der Bundesstaat oder dein Wunschort bei den letzten Wahlen abgestimmt haben oder bei der kommenden Wahl voraussichtlich abstimmen werden. Was lässt sich über die Kommunalpolitik sagen und wer sitzt im Senat, wer im Repräsentantenhaus?
Falls der Platz mit einem Stipendium verbunden ist, kann es sein, dass sie dich fragen, warum du dieses Stipendium verdienst, während sich dort 150 amerikanische Studenten auf einen Platz bewerben und nach dem Studium jahrelang ihre Kredite abbezahlen müssen.
Letztendlich bin ich davon überzeugt, dass es auf einen gesunden Mix ankommt: gute Noten (müssen nicht abgefahren gut sein), soziales und gesellschaftliches Engagement, klare Ziele und eine gute formulierte Motivation.