Heute kamen hintereinander zwei süße Kinder in meine Sprechstunde, beide um die vier Jahre alt. Bei der U8 war der Hörtest wohl nicht ganz einwandfrei gewesen und so sollte ich als HNO-Arzt einmal nachschauen.
Die Begegnung mit dem ersten Kind war ein Fiasko! Die Mutter war beinahe ängstlicher als das neugierige Kind, sie kam noch nicht einmal dazu, meine Begrüßung zu erwidern. Ohne Pause redete sie auf ihr Kind ein. Dabei verwendete sie all die bösen Stichworte!
Nein, der Mann würde ihr nicht wehtun, sagte sie zu ihrer Tochter. „Der Mann“, naja, etwas unglücklich, aber geschenkt. Erste ernsthafte Zweifel des Mädchens.
Es würde ganz bestimmt nicht „Aua“ machen. Er habe doch gar keine Spritze und bluten würde es auch nicht! Blankes Entsetzen.
Kind in Angst und Schrecken
Wehtun, Aua, Spritze, bluten! Dieser Patientenkontakt war nicht mehr zu retten.
Trotzdem versuchte ich, den beiden noch mal die Hand zu reichen, als sie vor mir auf dem Untersuchungsstuhl saßen. Mein Grußwort ging aber im lautstarken Geheule unter, das begann, als ich näher kam. Ich gab der Mutter einen kurzen Hinweis, keine Negativworte zu benutzen, keine Chance.
Ich mag Kinder und schaffe es meist, sie für die Situation zu begeistern. Ich erzähle eine lustige Geschichte, gehe auf Kuscheltiere, Motive auf dem Shirt oder andere Dinge ein. Hier endete es leider damit, dass sich das arme verängstigte Kind vor Schreien beinahe erbrach und wild um sich trat. Und die Mutter brachte es nicht übers Herz, die Kleine mal etwas festzuhalten. Keine Untersuchung und den Hörtest zogen wir nicht einmal in Erwägung. Neuer Termin!
Schnell eine Tablette gegen den frischen Tinnitus, Schluck Kaffee, Fenster auf und Durchatmen.
Auf ein Neues: Patient Nummer Zwei
Das nächste Kind kam herein. Schon mal gut: aufgeschlossene Mutter, positive Ausstrahlung. Ich wies auf den Stuhl und weckte seinen Ehrgeiz: „Na, kannst du da schon raufklettern?“ Die Mimik signalisierte ein klares Ja und schon konnte ich mit etwas Magie den Stuhl auf meine Höhe fahren. Während die Mutter vom Kinderarzt erzählte, ließ sie mich machen und den Kleinen bei Laune halten.
Mit einigen Sprüchen zwischendurch konnte ich alle relevanten Befunde erheben und meinen Lieblingsspruch von Walt Disneys Doc McStuffins anbringen: „Wenn es kitzelt, kannst du auch lachen!“ In einer solche Situation sind Ohrtrichter, Mundspatel und Endoskop auf einmal gar nicht mehr furchteinflößend.
Das Mädchen aus der ersten Situation kam zwei Wochen später mit ihrem Vater. Völlig andere Situation, tapferes Kind und über das kleine Armband zur Belohnung am Ende hat sie sich sehr gefreut.