Seit ein paar Jahren arbeite ich in einer Klinik als Ärztin in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Ich habe einen sogenannten „Opt-Out“-Vertrag unterschrieben. Normalerweise arbeite ich zwischen 54 und 100 Stunden in der Woche. 54, wenn ich nur einen 24-Stunden-Dienst habe. 100, wenn ich drei 24-Stunden-Dienste habe.
Wenn ich drei Stunden geschlafen habe, weiß ich, dass ich den nächsten Tag überleben kann. Ich befinde mich seit ein paar Jahren in einer Parallelwelt, in der alle dasselbe tun, um zu überleben: arbeiten. Ich weiß, wann ich das letzte Mal ausgeschlafen habe. Vor zwei Monaten, im Urlaub.
In dieser Parallelwelt sind alle Gesichter müde. Es sind erhitzte, wutschnaubende Gesichter auf übergewichtigen Körpern. Müde, blasse Gesichter auf untergewichtigen Körpern. Diese Körper haben verdammt kurze Nervenenden, jederzeit bereit, zu explodieren oder zu implodieren. Natürlich würde das keiner zugeben, wir sind ja Ärzte. Unser Leben ist unsere Arbeit und unsere Arbeit ist unsere Berufung.
Manchmal sind auch Ärzte krank
Heute bin ich eine kranke Ärztin. Ich hänge vor der Mittagsbesprechung über der Toilette im Arztzimmer. Brechdurchfall. Zwei Kollegen haben sich bereits krankgemeldet. Vier Zimmer auf der Station sind gesperrt. Alles kotzt. Ich gehe zur Besprechung und sage einem Kollegen, dass es mich wahrscheinlich auch erwischt hat.
Zwei Wochen später schlafe ich in der 24-Stunden-Schicht in der Notaufnahme um 01:00 Uhr fast ein. Ich bin ungewöhnlich müde und schlapp. Mir ist schlecht. Meine Brüste spannen. Mir wird heiß und kalt und ich fange an zu zählen ... Wann war die letzte Periode? Keine Ahnung. Dienst, frei, Dienst, frei, Dienst, Dienst. Welchen Tag haben wir heute überhaupt? Freitag? Sonntag?
Ich untersuche mich kurzerhand selbst
Als um 04:50 Uhr gerade mal kein Patient da ist, schnappe ich mir das Ultraschallgerät und halte es auf meinen Unterbauch. Da ist eine Fruchthöhle in meinem Unterbauch. Ich bin Ärztin, in der Weiterbildung im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie. Und schwanger.