Fitnesstracker könnten gesundes Verhalten wie Abnehmen oder Sport fördern. Die Geräte sind beliebt – doch ohne Anreize lässt der positive Effekt schnell wieder nach, so eine aktuelle Studie. In Zusammenarbeit mit dem Arzt wären die Aussichten besser.
Seine eigene Gesundheit und Fitness digital zu vermessen, ist „in“. Fitnesstracker, die Bewegung, Gewicht, Kalorienverbrauch, Blutdruck oder Herzfrequenz messen, werden laut einer repräsentativen Umfrage von Bitkom bereits von einem Drittel der Deutschen genutzt. Die Daten werden mit Smartphones und Apps, Computeruhren oder digitalen Armbändern aufgezeichnet. Andererseits zeigen Untersuchungen, dass ein Drittel die Tracker bereits sechs Monate nach dem Kauf gar nicht mehr benutzt. Ob solche Geräte eher ein privater Zeitvertreib für die Nutzer sind oder ob die Daten auch an Ärzte oder Krankenkassen übermittelt werden sollen, ist umstritten. Diese könnten die Daten nutzen, um gesundheitsbewusstes Verhalten gezielt zu fördern – Kritiker fürchten jedoch eine mangelnde Zuverlässigkeit der Messwerte, einen Missbrauch der Daten und unzureichenden Datenschutz.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ein kleines Gerät am Handgelenk ausreicht, um konsequent mehr Sport zu treiben, mehr zu Fuß zu gehen oder die Ernährung dauerhaft umzustellen. Eine aktuelle Studie hat nun untersucht, wie sich Belohnungen beim Tragen von Fitnesstrackern auf das Bewegungsverhalten auswirken. Die Forscher um Eric Finkelstein vom Duke Global Health Institute in Singapur rekrutierten 800 Vollzeit-Angestellte von 13 Firmen in Singapur, die zwischen 21 und 65 Jahre alt waren. Die Probanden wurden in vier Gruppen aufgeteilt. Die Kontrollgruppe erhielt in den ersten sechs Monaten Informationen über körperliche Aktivität und eine Bezahlung von 4 Singapur-Dollar pro Woche, aber keinen Fitnesstracker. Eine weitere Gruppe erhielt einen Aktivitätstracker (einen an der Taille getragenen Schrittzähler) und 4 Singapur-Dollar pro Woche. Die beiden übrigen Gruppen wurden bei mehr als 50.000 Schritten pro Woche je nach Schrittzahl mit 15 oder 30 Singapur-Dollar belohnt. Dabei konnte eine Gruppe das Geld selbst behalten, in der anderen wurde es für einen wohltätigen Zweck gespendet. In den zweiten sechs Monaten des Studienzeitraums konnten alle Probanden die Fitnesstracker weiter tragen, erhielten aber keine Belohnung mehr. Zu Beginn der Studie sowie nach sechs und zwölf Monaten maßen Finkelstein und sein Team die Schrittzahl und die mäßig intensive bis intensive körperliche Aktivität (moderate to vigorous physical activity, MVPA) der Probanden. Auch Gewicht, Blutdruck und die kardiorespiratorische Fitness (maximaler Sauerstoffverbrauch in Ruhe) wurden erfasst. Ihre Ergebnisse publizierten die Forscher in der Fachzeitschrift „The Lancet Diabetes & Endocrinology“.
Die Auswirkungen der Fitnesstracker kombiniert mit einer Belohnung waren insgesamt gering: Bei Probanden, die als Belohnung Geld erhielten, nahm die mäßig intensive bis intensive körperliche Aktivität in den ersten sechs Monaten zwar um 13 Minuten pro Woche und die durchschnittliche Schrittzahl um 570 Schritte pro Tag zu. Allerdings war die Aktivität dieser Gruppe nach zwölf Monaten wieder auf das Ausgangsniveau zurückgegangen. In den anderen drei Gruppen blieb die körperliche Aktivität in den ersten sechs Monaten weitgehend gleich, in der Kontrollgruppe nahm sie sogar ab. „Zu Beginn der Studie haben wir zwar leichte Verbesserungen beobachtet – aber sobald die finanziellen Anreize wegfielen, schnitten die Probanden schlechter ab als wenn gar keine Belohnungen angeboten wurden“, erläutert Finkelstein. Dagegen hatte sich die mäßig intensive bis intensive körperliche Aktivität der Gruppe, die den Tracker ohne finanzielle Anreize getragen hatte, am Studienende um durchschnittlich 16 Minuten pro Woche erhöht. Allerdings führten die Aktivitätstracker in keiner Gruppe zu einer Verbesserung der Gesundheitswerte – weder nach sechs noch nach zwölf Monaten. „Wir haben keine Hinweise gefunden, dass die Geräte den Blutdruck oder die kardiorespiratorische Fitness verbessern oder zu einer Gewichtsabnahme führen – egal ob mit oder ohne finanziellen Anreiz“, berichtet Finkelstein. „Außerdem hörten 90 Prozent der Teilnehmer ohne zusätzliche Anreize auf, die Tracker zu tragen.“ Dies stimme auch damit überein, wie Fitnesstracker im echten Leben genutzt werden, so die Forscher. „Die Leute tragen die Geräte eine Weile. Aber mit der Zeit nutzt sich der Neuheitseffekt ab“, erläutert Robert Sloan von der Kagoshima University in Japan, einer der Ko-Autoren der Studie.
Sind Fitnesstracker also für viele nur ein Spielzeug, das kurzfristig Begeisterung auslöst und dann wieder in der Schublade verschwindet? Wie müssten die Geräte eingesetzt werden, damit sie auch langfristig die Aktivität erhöhen und so zu einem gesünderen Lebensstil beitragen können? Und wie können Ärzte und medizisches Fachpersonal diesen Effekt unterstützen? „Man muss sich klar machen, dass Fitnesstracker zunächst ein reines Messinstrument sind – das allein bewirkt erst einmal gar nichts“, sagt Jochen Meyer, Leiter des Bereichs Gesundheit am OFFIS – Institut für Informatik, das eng mit der Universität Oldenburg zusammenarbeitet. „Wichtig ist, das die Geräte in Interventionmaßnahmen eingebunden werden, und dass diese Maßnahmen so gestaltet sind, dass sie einen möglichst großen Effekt haben.“ Wie solche Maßnahmen im Detail aussehen müssten, sei bisher noch nicht ganz klar. Allerdings gebe es dafür auch kein pauschales Rezept, betont Meyer. „Jeder Mensch ist anders – deshalb ist es wichtig, das Vorgehen auf den Einzelnen abzustimmen“, sagt der Forscher. „Dem einen macht es Spaß, viel zu Fuß zu gehen, jemand anderes radelt vielleicht lieber oder geht schwimmen. Manche Menschen brauchen viel Ermunterung, viel persönliche Anleitung oder viel Feedback, anderere nicht. Viel positive Verstärkung ist dabei wichtig – aber auch Belohnungen sind nicht bei jedem wirksam.“
Wenn Belohnungen eingesetzt werden, müssten diese möglicherweise anders gestaltet sein, folgert Finkelstein aus seiner Untersuchung. „Die Ergebnissen legen nahe, dass die Art des finanziellen Anreizes eine wichtige Rolle spielt“, so der Mediziner. Außerdem müssten die Anreize vermutlich längere Zeit vorhanden sein, damit sich das neue Verhalten stabilisieren könne und messbare Verbesserungen der Gesundheit auftreten könnten. „Zukünftige Studien sollten auch die Motivation der Probanden messen und untersuchen, wie Interventionen gestaltet werden müssen, damit sie die Motivation und die körperliche Aktivität erhöhen“, schreibt Courtney Monroe von der University of South Carolina in Columbia (USA) in einem Kommentar zur Studie. „Dazu gehört zum Beispiel, wie hoch die Belohnung sein muss oder wie häufig und wie lange die Anreize eingesetzt werden.“ Um ein Verhalten langfristig beizubehalten, seien möglicherweise andere Strategien sinnvoll als wenn es darum gehe, das Verhalten zu verändern, betont Meyer. „Für manche Menschen kann es hilfreich sein, das eigene Verhalten von Zeit zu Zeit zu beobachten – zum Beispiel den Tracker nach einer Pause wieder ein paar Wochen zu tragen und die Daten mit den früheren Meßwerten zu vergleichen. Das kann dazu beitragen, sich mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen und sein Verhalten bewusst zu ändern.“
Ob Ärzte Fitnesstracker gezielt empfehlen sollten – dazu gibt es bisher kaum Untersuchungen. „Wenn ein Arzt seinem Patienten rät, körperlich aktiver zu werden, und ihm gleichzeitig ein Werkzeug dazu an die Hand gibt, könnte das ein sehr wirkungsvolle Maßnahme sein“, meint Meyer. „Wichtig ist aber, dass der Arzt die Messdaten immer wieder mit dem Patienten bespricht. Er sollte ihm Rückmeldung geben und konkret erläutern, wie der Patient mehr Bewegung in den Alltag einbauen kann und was er verändern kann, wenn er das gesetzte Ziel noch nicht erreicht hat.“ Das große Problem dabei: Die Zeit dafür steht Hausärzten eigentlich nicht zur Verfügung – sie können eine solche Beratung nur aus privaten Engagement leisten. „Im Grunde müsste es für solche Leistungen eine eigene Abrechnungsziffer geben“, sagt Meyer.