Kennt ihr das? Man präsentiert euch ein knuddeliges Kind, euer Herz geht auf, ihr bastelt sofort ein süßes Kasperle aus eurer linken Socken und einer Packung Tempotaschentücher und schon seid ihr beide beste Freunde fürs Leben? Äh ja, es gibt einen Grund warum ich kein Kinderarzt wurde. Beginnen wir hier mit dem pädiatrischen Praktikum im Studium:
In Kleinstgruppen betraten wir die Neonatologie. Winzige Kinder lagen hier in kleinen Kästchen herum. Die Neonatologin nahm eins raus. Das war jetzt unseres. Wir transportierten es in einen Untersuchungsraum, den besorgten Vater nahmen wir mit.
Klein-Natalie war erst fünf Tage alt und wir platzierten sie fürsorglich unter einer Wärmelampe, welche den Raum sofort auf 50 °C aufheizte. Reihum sollten wir nun vorsichtig Herz und Lunge abhören und einen Neugeborenenreflex demonstrieren. Studentin Müller führte souverän den Greifreflex vor. Student Kleiber zeigte routiniert einen Such-Reflex und wo er schon dabei war den asymetrisch tonischen Nackenreflex. Klein-Natalie gluckste zufrieden. Vater Natalie lehnte sich entspannt zurück.
„Nun Studentin Zorgcooperations“, sagte die betreunde Neonatologin und winkte mich heran, „welchen Reflex haben wir noch nicht?“
Da fiel mir nur noch der Galant-reflex ein. Details zu jenem Reflex: Man streicht über den Rücken des Neugeborenen und schaut was passiert. Kind lag natürlich falsch rum da. Nachdem die Betreuerin meinen ratlosen Blick erkannte, rief sie freundlich: „Ha, da drehen sie jetzt einfach das Kind auf den Bauch in ihre rechte Hand, halten es so in der Luft und haben die linke Hand für die Reflexdurchführung frei.“ Haha. Da gibt es sicher eine ausgeklügelte Technik, mit der man so ein winziges Kind einhändig dreht, aber die kenne ich immer noch nicht. Also habe ich das Kind dann in Etappen auf meine rechte Hand geschaufelt. Der Vater dachte sich vermutlich inständig: „Bitte, bitte lasst diese Studentin keine Kinderärztin werden!“ Und naja, den Reflex habe ich aber erfolgreich durchgeführt! Ein sehr zähes und geduldiges Kind war das.
Kurze Zeit später war das pädiatrische Blockpraktikum auf der allgemeinen Kinderstation für durchschnittlich kranke Kinder:
„So liebe Studenten. Hier also das hochansteckende Kind mit Noro- oder auch Rotavirus, friedlich in seinem Bett rumsitzend. Also wer möchte den kleinen Friedemann jetzt untersuchen? Herr Kleiber vielleicht?“ Das Kind blickt hoffnungsfroh nach oben und winkt dem Studenten Kleiber zu. „Öh ja, sorry hier gibt es keine XXXL-Handschuhe“, sagt Student Kleiber und hebt entschuldigend seine Riesenpranken. „Achso, wer dann? Wie wäre es mit ihnen, Frau Zorgcooperations?“ – „Hm hm gut.“
Der kleine Friedemann starrt mit missmutig an, hat er sich doch so auf Student Kleiber gefreut. Ich lächle freundlich. „Hallo Friedemann, also hier ist mein Stethoskop.“ An dieser Stelle bricht Friedemann in einen Instant-Weinkrampf aus. „Untersuchen sie weiter!“, feuert mich die Praxisanleiterin an. Friedemann hasst mich zu tiefst. Ich beende die Untersuchung im Rekordtempo und nachdem ich mich drei Meter von Friedemann entfernt habe, hört er auch wieder auf zu weinen. Das einzig Gute an dieser Aktion war, das ich mich nicht mit Noro- oder auch Rotaviren angesteckt habe.
Also, kein Kinderarzt. Aber dann verirrte sich dieses Kind in die Notaufnahme.
Fortsetzung folgt ...
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