PsychCast: Was gute Psychotherapeuten tun

PsychCast: Was gute Psychotherapeuten tunWas gute Psychotherapeuten eigentlich tun? Schwer zu sagen. Wir versuchen dennoch, insgesamt zehn Punkte zu entwickeln, die unter anderem wichtige Kommunikationsstrategien umfassen, um mit unseren Patienten in einen gelungenen Kontakt einzutreten. Was macht eurer Meinung nach, einen guten Psychotherapeuten aus? Im der 37. Ausgabe des Medizin-Podcasts PsychCast sprechen Jan Dreher und ich darüber, was gute Psychotherapeuten eigentlich tun. Da es hierzu nun unzählige Theorien, Modelle und Methoden zu berichten gäbe, haben wir versucht, das Ganze zu vereinfachen: Vor der Aufnahme der Sendung haben wir ein kurzes Brainstorming veranstaltet, bei dem jeder seine ganz subjektiven Top-Fünf-Verhaltensweisen für Psychotherapeuten notiert hat. Wobei keiner behauptet, dass irgendjemand diese immer und jederzeit umsetzt. Was solten gute Psychotherapeuten eurer Meinung nach tun? Unser Ergebnis hört ihr im Podcast oder lest es in dieser kleinen Zusammenfassung aller zehn Punkte:

1. Ein guter Therapeut versucht zu verstehen, was das Problem des Patienten ist und versucht ihm dabei zu helfen, es zu lösen. Manchmal kann die Rückkehr zu dieser Vereinfachung ganz sinnvoll sein, bevor man sich in diversen Manualen und Theorien verrennt. Insbesondere junge Berufsanfänger sind oft voller Eifer und sehr gut in genau dieser Aufgabe. Auch sollte man lernen, mit den Augen des Patienten zu sehen.

2. Ein guter Therapeut baut Brücken und versucht erstmal, mit allen klarzukommen. Er beherrscht die Kunst, gerade zu Beginn und trotz Schwierigkeiten, Gemeinsamkeiten mit seinem Patienten herauszustellen und agiert negative Gefühle nicht einfach aus. Er stellt einen gleichberechtigten Kontakt mit seinem Patienten her. Das Verhalten eines Patienten bewertet er nicht moralisch, sondern versucht herauszufinden, wobei der Patient Hilfe benötigt.

3. Ein guter Therapeut berät auch mal und gibt eigene Einschätzungen preis. Immer „abstinent“ zu bleiben, kann schon deshalb nicht das Ziel sein, weil Grenzüberschreitungen wie Gewalt, durch den Arzt in der Behandlung unbedingt begrenzt werden müssen. Ebenso kann sie „selektive Selbstöffnung“ für den Patientin dienlich sein und ihm dabei helfen, anzufangen, sich selbst zu hinterfragen.

4. Ein guter Psychotherapeut macht seine Methode transparent. Es geht nicht um Hokuspokus oder eine Pseudoheilung. Der Patient erfährt durch seine psychische Erkrankung genug Verunsicherung. Im Rahmen der Behandlung soll er die größtmögliche Kontrolle über seine Situation bekommen – dazu muss er alle Infos bekommen, die er haben möchte bzw. die ihm zustehen (Patientenrechtegesetz: Nebenwirkungen, Behandlungsalternativen ...).

5. Ein guter Psychotherapeut sieht in seinem Patienten mehr als eine Krankheit. Er sieht ein Wesen mit vielen Fähigkeiten und Ressourcen. Ein vitaler und liebenswerter Mensch sitzt vor ihm, der bisher – auch ohne seine Hilfe – halbwegs gut durchs Leben gekommen ist. Dessen ist ein guter Therapeut sich stets bewusst.

6. Ein guter Therapeut kann viele verschiedene Perspektiven einnehmen. Wie beim Tennisspiel kann er der Gegenspieler sein und mit seinem Patienten im Ballwechsel sein. Er kann aber auch mit dem Patienten gemeinsam vom Schiri-Stuhl aus aufs Geschehen blicken oder sogar von der Tribühne aus, also von noch weiter außen. So entsteht ein „Wechselspiel“ von Betrachtung, Einordnung und Interpretation aus verschiedenen Blickwinkeln. Dies ist die Bedingung für neue Erkenntnisse und die Veränderung von Verhalten.

7. Ein guter Therapeut widersteht der Versuchung, den Anschein zu erwecken, als könne er Veränderungen für den Patienten erreichen, ohne auf die Arbeit des Patienten angewiesen zu sein. Er alleine kann absolut gar nichts ausrichten. Ist der Wunsch des Patienten groß, dass der Therapeut alles für ihn regeln möge, untersucht der Therapeut zunächst, wie es kommt, dass dieser Wunsch so groß ist. Irvin Yaloms („Und Nietzsche Weinte“) Trick: „Es mag sein, dass andere zu 99 % beeinflussen können, wie es um Sie steht – lassen Sie uns heute einmal auf das verbleibende eine Prozent blicken!“

8. Ein guter Therapeut hilft dem Patienten dabei, konkret zu werden. Er unterstützt den Patienten darin, realistische Ziele zu entwickeln und leitet ihn an, schrittweise eine Veränderung im Hier und Jetzt zu erarbeiten. Er zeigt dem Patienten auf, wenn sie allgemeine, viel zu große Ziele hat, deren Erreichen scheitern muss und für zusätzlichen Frust sorgt. Die Ärztin Luise Reddemann beschreibt das so (in einem wunderbaren Buch): „Eine Reise von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt“.

9. Wenn der Therapeut gut ist, verweist er Patienten an Kollegen, wenn diese ihm besser helfen können als man selbst – aus welchem Grund auch immer. Hier wäre zum Beispiel eine spezifische Methode zu nennen, die ein Kollege beherrscht oder eine besondere Konstellation in der Beziehung, den Neigungen etc., die für den Patienten hilfreich sein könnte. Hierbei ist auch entscheidend, welche Ziele ein Patient in einer Behandlung hat, und welche Formen der Weiterentwicklung am besten zu ihm passen. Außerdem wichtig: Wie viel Zeit hat der Patient und wie viel Energie oder Aufwand möchte er in seine Gesundung investieren.

10. Ein guter Therapeut unterstützt seinen Patienten, bei dem was er erreichen möchte, arbeitet im Auftrag seines Patienten, vermittelt Zuversicht und ermutigt immer wieder zu Offenheit. Die Selbstöffnung des Patienten ist für eine erfolgreiche Behandlung elementar. Diese erwartet der gute Therapeut nicht einfach von seiner Patientin, sondern muss sie sich immer wieder ein Stück weit erarbeiten. Das funktioniert über die richtige Mischung aus Menschlichkeit und Professionalität. Beides vermittelt sich nicht durch Worte, sondern durch das Handeln des Therapeuten: sein aufrichtiges Zuhören, sein ernstes Interesse am Fortgang der Behandlung des Patienten sowie durch seinen vertrauenswürdigen Umgang mit alldem, was er von seinem Patienten kennenlernt. Auch wenn es beziehungsmäßig mal schwierig wird, versteckt ein guter Therapeut sich nicht hinter einer „Psychofassade“.

Ein absoluter Lesetipp für alle angehenden oder erfahrenen Therapeuten ist das Buch „Der Panama-Hut“ von Irvin Yalom – kurz und bündig präsentiert er sprachlich genial unheimlich hilfreiche Praxistipps für Psychotherapeuten. Auch für Laien ein wunderbar zu lesendes und hochinteressantes Buch. Bildquelle: Alan Levine, flickr