Der Aufreger der Woche hat bereits am Montagmorgen stattgefunden – ein perfekter Start also. Unsere ansässige Heilpraktikerin kam in die Apotheke geschwebt und hatte ein paar kleine Wünsche. Für ihre Patienten benötige sie immer mal wieder irgendwelche exotischen Teemischungen, die zum Teil Dinge beinhalten die nie ein Mensch zuvor ... äääh, von denen wir alle noch nie etwas gehört haben.
Unser Großhandel im übrigen ebenfalls nicht, also startet nach ihrem Besuch bei uns meistens ein fröhliches Bäumchen-wechsel-dich-Spiel. Was hat sie da aufgeschrieben? Ach ja, das soll XYZ Wurzelstock sein. Hat der Großhandel natürlich wieder nicht.
Was sind denn da für Inhaltsstoffe drin? Dann könnte man das vielleicht mit ABC Rinde ersetzen. Ist die denn zu bekommen? Ja! Dann rufe ich Frau Heilesegen an und frage einmal nach, ob wir es ersetzen dürfen. Die ist meistens schwer zu erreichen und oft ungehalten darüber, dass an ihrer perfekt durchdachten Rezeptur irgendetwas umgestellt wird. Es bedeutet also jedes Mal sehr viel undankbare Arbeit, wenn solch ein Tee hergestellt werden soll.
Jede Droge dürfen wir einzeln prüfen
Das „tolle“ daran ist auch, dass jede Teedroge auf Identität geprüft werden muss bevor wir sie verarbeiten – wir können uns glücklich schätzen wenn ein makro- und mikroskopischer Befund ausreicht und wir nicht noch eine DC laufen lassen müssen. Mit einer Teerezeptur die fünf verschiedene Blüten, Blätter oder Rinden beinhaltet, kann man sich also theoretisch mit Prüfung und Herstellung derselben locker mal drei Stunden vergnügen.
Nun zum nächsten Punkt der so richtig Freude macht: der Berechnung. Die Preise, die wir für die Drogen berechnen dürfen sind in der Hilfstaxe hinterlegt. Diese haben sich seit einigen Jahren nicht mehr verändert. Die tatsächlichen Preise für die getrockneten Pflanzenteile sind aber andere – je nach Erntemenge oder Herkunftsland variiert das sehr stark, sodass wir für Droge X, 10 g, 2,50 € berechnen dürfen, der tatsächliche Einkaufspreis aber bei 3,20 € liegt. Schlimmer noch, eigentlich liegt er bei 32 €, da wir über den Großhandel natürlich keine 10 g einkaufen können, sondern 100 g Mindestmenge abnehmen müssen. Die restlichen 90 g stehen dann wunderbar geprüft noch zwei Jahre in einer Blechdose im Lager herum, bis sie verfallen sind und wir sie wegwerfen dürfen.
Aber der Aufwand wird ja ausreichend entschädigt. Nicht.
Das bedeutet also, dass wir im dümmsten Fall – nämlich dann, wenn außer Frau Heilesegen niemand den exotischen Kram benötigt – fünf unnötige Blechbüchsen voll Ware haben, vielleicht 50 € zum Fenster rausgeschmissen wurden, damit wir zusätzliche drei Stunden mit der Beschaffung, der Herstellung und der Prüfung von dem Zeug beschäftigt sind.
Aber Moment mal! Wir dürfen ja nicht nur die Kräuter berechnen, sondern erhalten für die Herstellung auch noch einen „Arbeitspreis“, der uns für den ganzen Aufwand entschädigen soll! Den habe ich ja völlig unterschlagen! Er beträgt (da Teerezepturen ja nur geringfügig aufwendig sind) sage und schreibe 2,50 €! Wer sich an dieser Stelle nicht veräppelt vorkommt, dem ist nicht mehr zu helfen. Ihr könnt euch also vorstellen, wie hoch die Wellen der Begeisterung schlugen, als Frau Heilesegen heute vier verschiedene Teerezepturen mit zum Teil zehn verschiedenen Drogen per Privatrezept bestellte und mit den Worten „Sie rufen mich dann an, wenn er fertig ist, ja? Es eilt aber schon ein wenig – Wiederseeeeehn!“ aus der Apotheke schwebte. Und das am Montag morgen. Dankeschön!