Das frage ich mich auch manchmal. Der Plan war, jeden Mittwoch ab 10 Uhr Hausbesuche zu machen. Aber eine Sprechstunde bis 10 Uhr bedeutet Patientinnen und Patienten bis mindestens 11 Uhr behandeln zu müssen. Gerne huscht man noch um 9.59 hinein, dann leert sich zwar das Wartezimmer, aber der vorgegebene Akuttermin wird danach mehr zu einer biografischen Erörterung der Lebensbefindlichkeit genutzt
Doch heute sind auch die Hausbesuche gemeinsam mit meiner medizinischen Fachangestellten (MFA) anders als sonst. Zunächst der eher grantige Herr G. Eine „kettenrauchende“ COPD mit 20-25 % FEV1, Typ-2-Diabetes-Management, hypertensiver Herzkrankheit, Adipositas mit chronisch-venöser Insuffizienz hat er. Hepatopathie, Lipödem und schwerste Polyarthrosen brauchen unter intensiver Therapie und Problemen mit dem Pflegedienst eine ausführliche Erörterung, Laborkontrolle und eine Lungenfunktionsprüfung. Zurück zur Praxis, kurz etwas Warmes essen.
Dann zu Frau K. Die betagte Dame, Jahrgang 1920, ist mit unserer Praxis seit 1992 alt geworden. Sie lebt noch in der eigenen Wohnung in der 4. Etage ohne Aufzug, versorgt sich selbst. Sohn und Tochter helfen mit Einkauf und Logistik. Gestern verschlechterte sich ihr Zustand: Schlecht ansprechbar, Husten, zunehmende Ateminsuffizienz, Schluckstörung, Herzinsuffizienz. Heute beim Hausbesuch weiter reduziert ansprechbar, röchelnde Dyspnoe, aus meiner Sicht bereits ein präfinaler Zustand. Doch diese Patientin hatte immer einen eisernen Lebenswillen.
Einzige Chance: Stationäre Aufnahme, Sauerstoff, Bronchialdrainage, Stoffwechsel-Bilanzierung, Herzstabilisierung. Also 112 angerufen, RTW angefordert, der umgehend kam. RR 190/95, P=106 EKG unauffällig. O2, Infusion über sicheren Zugang. Hauptproblem Liegendtransport im engen Treppenhaus. Die beiden Rettungssanitäter der Feuerwehr fragen meine MFA und mich, ob wir beim Transport mit dem Tragetuch mit anpacken könnten, sonst müssten sie eine zweite RTW-Besatzung anfordern. Denn die stabile FW-Trage ist für das Treppenhaus viel zu lang und müsste bei jeder Treppenwende über Kopf balanciert werden. Ich schaue meine MFA nur kurz an, wir beide sagen zu und los ging es:
Umlagerung auf das Tragetuch und zu viert bugsierten wir die Patientin langsam und vorsichtig die engen 4 Treppen hinunter zum RTW. Geschafft!
Kurz noch zum Labor, die Proben vom 1. Hausbesuch abgeben – das war dann mein Mittwoch Nachmittag! Meine MFA hat übrigens zusätzlich noch einen weiteren Routine-Hausbesuch gemacht.