Die Gehirne von Patienten mit Schizophrenie funktionieren anders als die von Menschen ohne die Erkrankung – aber wie? Forscher untersuchten mit Bildgebungsverfahren die Gehirnfunktionen auf Unterschiede und fanden überraschende Erkenntnisse.
Neuere Studien deuten darauf hin, dass der Botenstoff Glutamat bei der Entstehung von Schizophrenie und dem Krankheitsverlauf eine zentrale Rolle spielt. Die neurobiologischen Mechanismen, die der veränderten glutamatergenen Signalübertragung im Gehirn zugrunde liegen, führen zu Veränderungen von Gedanken, Stimmung und Wahrnehmung. Wie sie konkret funktionieren, sind allerdings erst teilweise entschlüsselt.
Nun vermutet das Forscherteam, einen dieser möglichen Mechanismen gefunden zu haben. Dieser könnte erklären, wie die beeinträchtigte Signalübertragung zwischen einzelnen Nervenzellen die Informationsverarbeitung und Zuverlässigkeit des gesamten Hirns beeinflusst. Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie untersuchten die Wissenschaftler bei Schizophrenen im Vergleich zu Gesunden, wie die Hirnregionen während einer Arbeitsgedächtnisaufgabe miteinander „sprechen“ und so ein Netzwerk bildeten.
Dabei zeigte sich, dass die Gehirne von Schizophrenen weniger stabile Netzwerke ausbildeten. Interessanterweise zeigten die Gehirne von den ebenfalls untersuchten Angehörigen von Schizophrenen, die nicht von der Krankheit betroffen waren, aber im Schnitt die Hälfte der Risikogene für die Erkrankung geerbt hatten, eine mittlere Stabilität zwischen den Gruppen von Gesunden und Erkrankten, was einen wichtigen Hinweis für den Einfluss von Genen auf die Netzwerkstabilität zeigt.
„Dies unterstützt unser Verständnis der genetischen Risikoarchitektur von Schizophrenie, hierbei zeigt sich ein deutlicher Fokus auf Gene, die in die glutamaterge Signalübertragung im Gehirn involviert sind“, sagt Heike Tost, Letztautorin der Studie. „Dieser Befund bekräftigt unseren Verdacht, dass die weniger stabilen Netzwerke bei Erkrankten tatsächlich durch die Erkrankung selbst und nicht durch Begleitfaktoren wie zum Beispiel die Medikation verursacht wurden.“
Die Autoren der Studie gingen sogar noch einen Schritt weiter, um ihren Verdacht bezüglich der molekularen Grundlagen der Stabilität von Hirnnetzwerken zu erhärten. In einem weiteren Experiment benutzten sie die funktionelle Bildgebung unter Einfluss eines Wirkstoffes. Gesunde Probanden bearbeiteten dieselbe Arbeitsgedächtnisaufgabe und erhielten einen geprüften und wirksamen Hemmstoff der glutamatergenen Signalübertragung namens Dextrometorphan. Im Vergleich zu der Placebo Bedingung zeigten auch gesunde Probanden nach der Gabe von Dextrometorphan weniger stabile Netzwerke, was den Hinweis auf einen begründeten Zusammenhang zwischen veränderter Glutamat-Signalübertragung und instabilen Netzwerken liefert.
„Diese Studie ist besonders interessant,“ fasst der Studien-Autor Braun zusammen, „da erstmals die molekularen Ursachen für die Netzwerkveränderungen beschrieben werden, die wir bei der Schizophrenie sehen. Wir verstehen zunehmend, dass Schizophrenie eine Erkrankung dynamischer Hirnnetzwerke ist und brauchen dringend weitere Studien, die eine Verbindung herstellen, zwischen der molekularen, zellulären und systemischen Ebene der Hirnfunktion.“ Die gewonnenen Erkenntnisse könnten dabei helfen, neue Therapien zu entwickeln. Originalpublikation: Dynamic brain network reconfiguration as a potential schizophrenia genetic risk mechanism modulated by NMDA receptor function Urs Braun et al.; PNAS, doi:10.1073/pnas.1608819113; 2016