Immer wenn solche typischen Familienfesttage sind frage ich mich, was so manche Kunden von früher jetzt wohl machen. Ich habe ja über zehn Jahre in einer anderen Apotheke gearbeitet, bis ich in der Vorstadtapotheke ankam, und manche Kunden gehen mir da einfach nicht aus dem Kopf.
Eine davon ist die Katzenfrau. Sie war Mitte siebzig, aber körperlich richtig schlecht beisammen. Ihre Wohnung bewohnte sie mit ihren Katzen und sie rauchte kräftig.
Zum Einkaufen war sie oft zu schlapp und so hatte sie einen Taxifahrer aus der Nachbarschaft angewiesen, einmal in der Woche für sie einzukaufen: eine Kiste Cola Vanille, 15 Dosen Katzenfutter, eine Stange Marlboro Menthol, 4 x Schinken-Tortellini tiefgefroren, 3 x Lasagne Bolognese tiefgefroren, 7 x Tiramisu für den Kühlschrank.
Unerträglicher Gestank in der Wohnung
Woher ich das so genau weiß? Ich habe diese Einkäufe das ein oder andere Mal übernommen, wenn der Taxifahrer Urlaub hatte. Natürlich privat und ohne dass mein Chef davon wusste. Der hätte sich aufgeregt, dass ich mich ausnutzen lasse, aber sie hat mir so leid getan. Schneeweiße Haare mit Dauerwelle, einen vergilbten, zerschlissenen Bademantel an und schrecklich lange gelbe Fingernägel hatte sie immer. Da sie sich nicht bücken konnte, ließ sie das Katzenfutter immer aus dem Stand auf einen Karton in der Küche platschen, den sie einmal in der Woche auswechselte.
Den Gestank in der Wohnung kann man sich kaum vorstellen. Aber sie wollte alleine bleiben. Den ganzen Tag lag sie auf dem Bett, schaute sich Ami-Serien und alte Fotoalben an und streichelte die Katzen. Ich habe des Öfteren mit ihrer Hausärztin darüber gesprochen, ob man da nichts machen könne, aber die Ärztin meinte, dass die Katzenfrau eine von den Kandidaten sei, die nach drei Monaten in einem Pflegeheim sterben, weil sie so unglücklich über ihre verlorene Unabhängigkeit sind.
Sie weinte, als ich die Apotheke wechselte
Als ich ihr mitteilte, dass ich die Apotheke wechseln würde, hat sie geweint und mich gebeten, ihr auch die neue Wohnadresse und Telefonnummer mitzuteilen, aber ich habe es nicht getan. Zu sehr hätte es mich belastet zu wissen, dass es ihr schlecht geht und ich nicht helfen kann. Und das wäre sicherlich vorgekommen.
Einmal hat sie mich angerufen und darum gebeten, ihr Medikamente zu bringen. Als ich dort war, wollte sie, dass ich einen Eimer Fäkalien in die Toilette schütte, denn sie war seit zwei Tagen nicht mehr aus dem Bett gegangen. Das habe ich nicht getan, aber nochmals mit ihrer Ärztin geredet und darum gebeten, dass sich wenigstens ein mobiler Pflegedienst um sie kümmern solle. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht – aber an Tagen wie heute denke ich daran.
Es ist sicher hart, wenn man alt und krank ist, aber doppelt so hart, wenn man auch noch alleine ist.