Placebo-Präparate zeigten in einer kürzlich veröffentlichten Studie überraschend deutliche Wirkung gegen Migräne bei Kindern. Wissenschaftler fordern deshalb, kleine Patienten multidisziplinär und nicht pharmakologisch zu behandeln.
Etwa 12 Prozent aller Kinder leiden an Kopfschmerzen, die zu Migräne passen. Bis zur Pubertät erhöht sich der Anteil auf 20 Prozent. Gesicherte neurologische Diagnosen bleiben die Ausnahme. Scott W. Powers aus Cincinnati schätzt, es gebe US-weit mehr als sechs Millionen kleine Patienten. Ziel seiner Studie war, Möglichkeiten der pharmakologischen Prophylaxe auszuloten. Doch es kam anders.
In den USA verschreiben Kinderärzte bei häufigen Attacken das trizyklinische Antidepressivum Amitriptylin oder das Antiepileptikum Topiramat. Ob die Pharmaka bei Kindern und Jugendlichen wirken, war aus wissenschaftlicher Sicht bislang fraglich. Deshalb nahm Powers 361 kleine Migränepatienten zwischen 8 und 17 Jahren in eine Studie auf. Sie quälten sich elf Tage pro Monat mit Kopfschmerzen. Ihr Wert lag, gemessen am PedMIDAS-Fragebogen, bei 41 Punkten, was einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität entspricht. Anschließend teilten Forscher alle Patienten randomisiert in drei Gruppen ein. Sie erhielten 24 Wochen lang Amitriptylin, Topiramat oder Placebo. Die Arbeit überrascht, da keine pharmazeutischen Hersteller als Sponsoren in Erscheinung treten. Gelder kamen vom Children's Hospital Medical Center, Cincinnati.
Als primären Endpunkt definierte Scott W. Powers eine Halbierung der Kopfschmerztage. Dieses Ziel erreichten 52 Prozent unter Amitriptylin, 55 Prozent unter Topiramat und sogar 61 Prozent unter Placebo. Die Unterschiede waren statistisch nicht signifikant. Allerdings kam es unter Amitriptylin häufiger zu Mundtrockenheit oder Müdigkeit. Topiramat führte öfter zu Gewichtsverlusten oder zu Parästhesien. Ein Selbstmordversuch (Topiramat) beziehungsweise eine Synkope (Amitriptylin) führten letztlich zum Abbruch der Studie.
Powers geht trotzdem davon aus, dass seine Arbeit zu Änderungen der US-Verordnungspraxis führen wird. Momentan ist Topiramat bei Patienten zwischen 12 und 17 Jahren zur Prophylaxe des Migränekopfschmerzes zugelassen. Wann die FDA hier Änderungen plant, ist offen. Die Forscher raten in ihrem Beitrag jedenfalls, Kinder und Jugendliche multidisziplinär und nicht pharmakologisch zu behandeln.