Eine Kundin kam mit einem ganz lockeren Verband um die Hand zu uns, damit die Verbrennung 2. Grades an der Luft gut abtrocknen kann. So sagte man es ihr beim ärztlichen Notdienst. Luft? Abtrocknen? Was ist mit der feuchten Wundversorgung passiert? Ist das schon wieder out?
In dieser Woche kam eine Kundin zu uns, die einen sehr lockeren Verband um ihr Handgelenk trug, und bat um neue Mullbinden. Ich fragte sie, was denn mit ihrer Hand passiert sei, und sie erzählte mir, dass sie sich beim Anzünden ihres Gasofens verbrannt hatte.
Durch den Schock hatte sie kaum Schmerzen verspürt und befürchtet, dass vielleicht ihre Nerven etwas abbekommen hätten. Sie ließ sich zum ärztlichen Notdienst fahren und wurde dort behandelt. Der Arzt ordnete einmal Flammazine-Salbe und einen ganz lockeren Verband um die Hand an, damit die Verbrennung 2. Grades an der Luft gut abtrocknen kann damit sich Schorf bildet.
Was ist denn mit der feuchten Wundversorgung?
Ich war geplättet. Luft? Abtrocknen? Sind meine Informationen bezüglich Verbrennungen schon wieder veraltet? Was ist mit der feuchten Wundversorgung passiert? Ist das schon wieder out? Aber nein. Meine letzte Fortbildung in dem Bereich ist kein halbes Jahr her, vor Verschorfung durch Austrocknen wurde explizit gewarnt.
Da es glücklicherweise keiner unserer ortsansässigen Ärzte war, der das empfohlen hatte, und ich ihnen durch meinen anderslautenden Ratschlag die Wundversorgung betreffend also nicht in die Parade fahren konnte, entschloss ich mich, genau das zu tun. Das ist absolut nichts, was ich gerne mache; nur hier erschien es mir angebracht. Ich erklärte der Patientin in Grundzügen die Vorteile der feuchten Wundversorgung (verringerte Narbenbildung, verbesserte Heilungsprozesse, kein Juckreiz, weniger Schmerzen) und empfahl einen Hydrokolloidgel-Verband.
Auf Nummer sicher
Die unpraktischen lockeren Mullbinden, die nach ein paar Stunden bereits Fäden zogen, ersetzte ich durch eine kohäsive Haftbinde, mit der die berufstätige Frau auch arbeiten kann, ohne dass sich gleich Auflösungserscheinungen zeigen. Ich hatte das Bedürfnis, sofort nochmals nachzukontrollieren, ob das, was ich ihr geraten hatte, richtig war, und fragte im Team, was die anderen dazu gesagt hätten.
Sie waren durchweg meiner Meinung. Ich frage mich also nun, wie es sein kann, dass ein Arzt im Notdienst derart veraltete Informationen weitergibt und die Patienten entsprechend behandelt. Zwei Tage nach dem Vorfall hatten wir Besuch von der Vertreterin einer Firma, die auch Produkte zur Wundversorgung herstellt. Auch diese befragte ich nochmals zu dem Thema, und sie fand mein Vorgehen in diesem Fall richtig. Die Pharmareferentin erzählte, dass sie früher im Ärzteaußendienst war, und der Wissensstand vieler Mediziner bei Bagarellverletzungen „gruselig“ sei. Hoffen wir mal, dass es darum bei ernsthafteren Verbrennungen besser bestellt ist ...