Das Lernen ist heute interaktiv. Sobald ich einen Begriff nicht kenne, klicke ich ihn an und lasse ihn mir erklären. Geht das nicht, google ich ihn kurz. Es gibt kaum ein Thema, zu dem DocCheck, Youtube oder Wikipedia nicht weiter wüssten. Wie hat Examensvorbereitung nur funktioniert, als es noch kein Internet gab?
Wenn man beim Pinkeln in Ohnmacht fällt, dann heißt das „Miktionssynkope“. Was, noch nie davon gehört? Ich auch nicht – bis heute. Das hat sich durch Lernportale wie etwa Amboss geändert, die das die Mediziner-Examensvorbereitung ganz still und heimlich revolutioniert haben. Alles, was man heutzutage braucht, um sich auf das 2. Staatsexamen vorzubereiten, wird uns auf dem goldenen Tablett serviert. Ich muss noch nicht einmal planen, wann ich was lerne – die Examenspläne sehen 100 Lerntage vor, und ich kann sie einfach eins nach dem anderen durcharbeiten.
Goodbye „Schwarze Reihe“
Mit Büchern lernt heute kaum mehr jemand von uns Medizinstudenten. Zumindest nicht für das Examen. (Nur der Anatomie-Atlas konnte bisher noch nicht digitalisiert werden! Aber den brauche ich zum Glück auch kaum mehr ...) Sicher, die Universitätsbibliothek hat auch noch jede Menge Bücher und Zeitschriften zur Ansicht. Aber nur selten sehe ich Studenten, die sich an ihnen bedienen. Die meisten bringen ihre Lernutensilien (Lehrbuch, Laptop, College-Block) mit. Die Bibliothek ist sozusagen ein modernes Büro. Hier kann man in Ruhe und weniger einsam als zuhause lernen, sehen und gesehen werden und Kaffeepausen mit seinen Kommilitonen genießen. Die Kontrolle am Eingang ist deswegen nicht minder streng – man munkelt, es gäbe wirklich Studenten, die versuchen würden, Journals aus der Bib zu schmuggeln!
Das Lernen ist heute interaktiv. Sobald ich einen Begriff nicht kenne, klicke ich ihn an und lasse ihn mir erklären; geht das nicht, google ich ihn kurz. Es gibt kaum ein Thema, zu dem DocCheck, Youtube oder Wikipedia nicht weiter wüssten. In der Forschung ist es genauso, die Pubmed-Recherche liefert mir, richtig angewandt, in Sekundenschnelle relevante Journalartikel, die ich im Handumdrehen in meine Endnote-Bibliothek importiere. Dank meiner intelligenten Ordner sortieren sich die Artikel sogar selbst. Meine Mutter erzählt noch, wie sie sich interessante wissenschaftliche Zeitschriften einzeln aus den Regalen gesucht, den Artikel nachgeschlagen, überflogen und alles, was für wichtig empfand, kopiert hat. Was für ein Zeitaufwand!
Wir haben es doch richtig leicht. Oder?
Wir Studenten von heute sind verwöhnt, aber mehr Freizeit als unsere Eltern oder vorangegangene Medizinergenerationen haben wir (glaube ich) dennoch nicht. Die Zeit passt sich an, es wird mehr verlangt (Hypothese! Was meint ihr?), und schließlich geht es wie immer darum, in der Gauß'schen Notenverteilung seines eigenen Semesters möglichst weit rechts zu stehen. Und jeder hat heutzutage Internet. Aber beeindruckend ist es, wie schnell sich Dinge verändern, und dass ich sogar einer junge Assistenzärztin (Examen vor 5 Jahren?) das Amboss-Prinzip erklären muss, lässt mich grübeln. Wie die Zeit vergeht!
Zurück zur „Miktionssynkope“
Ach ja – so richtig viel konnte Amboss mir in puncto „Miktionssynkope“ leider nicht beibringen, aber nach kurzer Recherche weiß ich mehr: Besonders nach Alkoholkonsum und direkt nach dem Aufstehen aus dem wollig-warmen Bett kann es beim Pipi machen zu Bewusstseinsverlust kommen. Grund ist der plötzlich abnehmende Druck im Unterbauch, der zu einem fallenden Blutdruck führen kann, sowie die Entspannung des gesamten Körpersystems, um das Urinieren zu ermöglichen. Fun Fact: Besonders Segler sind gefährdet, an der gefährlichen Synkope zu sterben, wenn sie beim Entleeren ihrer oft übervollen Blase unfreiwillig über Board gehen. Unbedingt als mögliche Todesursache im Hinterkopf behalten, falls ihr mal eine Wasserleiche mit entblößtem Genitale findet! (Übrigens: Wäre das nicht eine fabelhafte Idee für einen Tatort?)
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