Vor etwas weniger als zwei Jahren machte ich einen Schwangerschaftstest. Eigentlich in der festen Erwartung, dass er negativ sein würde. Und um ganz sicher zu sein, dass das Ergebnis nicht aus Versehen falsch negativ sein würde, hatte ich auch gleich noch einen zweiten gekauft. Beide gut versteckt unter einer Klatschzeitschrift, die ich dann doch nie gelesen habe.
Um es kurz zu machen: Irgendwie waren aber dann doch beide positiv. Zu diesem Zeitpunkt war ich im dritten vorklinischen Semester, seit einigen Wochen hatte ich einen Vollstudienplatz und war noch nicht so richtig angekommen in der neuen Unistadt. Eine der ersten Fragen: Wie geht es mit dem Studium weiter?
So schlich ich mich am nächsten morgen zu den Hiwis und fragte, natürlich als niemand zuhörte, wie das denn jetzt so sei. Ob ich in den Präpsaal dürfte? An meiner alten Uni wäre man mit Bekanntgabe der Schwangerschaft hochkant aus dem Präp-Kurs geflogen, an der neuen Uni kannte ich die Gegebenheiten noch nicht.
Ich wollte es probieren, mit den Leichen!
Ich wurde gleich zum Institutsleiter weitergeschickt, der zum Glück auch noch da war. Er schob mich schnell aus dem Vorraum, in dem seine Sekretärin saß, in sein Büro: Präppen, Neuroanatomie, alles kein Problem. Grenzwerte, was Formalin angeht, sind eingehalten. Wenn es nicht geht, weil ich keine Leichen mehr vertrage oder sonst irgendwas ist, soll ich einfach Bescheid sagen. Und ansonsten möglichst wenigen Leuten Bescheid sagen. Wirkliche Gefahren sind selten, meist wird nur ein großer Wirbel drum gemacht.
Das klang gut, ich wollte es weiter probieren, mit den Leichen. Zu dem Zeitpunkt war mir immer wieder mal etwas übel, manchmal auch etwas mehr, weiter nichts. Ich dachte, das bekomme ich hin. Weiterstudieren so lange es irgendwie geht. Nur das Physikum und der Geburtstermin ... naja, mal schauen, da ist ja noch viel Zeit bis dahin.
Und dann kam die Übelkeit
Die Spuckerei ging los, Prüfungen schaffte ich keine mehr. Wer legt die auch auf 7:15 Uhr? Mit ganztägiger Übelkeit und morgendlichen Anbeten des Porzellangottes sammelte ich einen gelben Zettel nach dem anderen. Kurz vor Weihnachten wurde ich mehr oder weniger freiwillig vorzeitig in die Ferien geschickt. Der angedrohte Krankenhausaufenthalt hatte bei der Entscheidungsfindung wohl etwas geholfen. Und damit war das Projekt „Schwanger Studieren Teil I“ gescheitert.
Das Pflegepratkikum: Bäuchlein kaschieren
In den Semesterferien machte ich das Pflegepraktikum. Nachdem ich bei der ersten Klinik erst eine Zusage und dann eine Absage wegen der Schwangerschaft bekommen hatte, habe ich es bei den beiden weiteren Bewerbungen nicht mehr erwähnt. Bewerbungsgespräch im vierten Monat mit wallendem Kleid – kein Problem. Nicht umbedingt zu empfehlen, ich wollte es aber so machen und hatte auch vom Betriebsarzt der Uniklinik das okay bekommen.
Als ich im fünftem Monat schwanger war, startete dann das Pflegepraktikum: Am Anfang ging es noch recht gut, ich hatte einen taktisch guten Schrank in der Umkleide erwischt. Klinikkleidung in Größe 36 wirkt zudem sehr, sehr gut kaschierend. Da hatte es doch echt mal einen Vorteil, dass mir sonst oft schon XS zu groß war. Am letzten Tag verquatsche ich mich bei der gemeinsamen Pause. Eine versteht es, zwei andere gucken kurz komisch und essen dann weiter.
Gut kaschiert ins Pflegepraktikum © Mum 'n' Medicine
„Ach, ich dachte, dass du einfach so eine komische Figur hast“, sagte sie mir später, ich war damals schon im sechsten Monat schwanger. Verstecken war mit etwas Mühe machbar, ich bevorzugte kuschelige Hoodies in XL. Im Pflegepraktikum ging alles gut, wir waren auf der Station sehr gut besetzt und ich fand immer irgendwas leichtes zu tun. So konnte ich mich vor Iso-Zimmern drücken. Ich war beschäftigt, also musste ein anderer Praktikant oder Schüler ran.
Schwanger studieren: Doch schwieriger als gedacht
Am Ende der Semesterferien war das Wahlfach. Soziologen werden übrigens schon ängstlich, wenn man mal kurz im schwangeren Zustand stehen muss, um ein Referat zu halten. In dieser Zeit ging es mir richtig gut, es klappte alles wie am Schnürchen und ich freute mich auf das Sommersemester. Die letzte Klausur, vier Wochen vor dem errechnetem Entbindungstermin sollte, doch zu schaffen sein?
Meine Tochter hatte andere Pläne und startete kurz vor Vorlesungsbeginn ihren ersten Ausbruchsversuch. So durfte ich meine Uniklinik aus Patientensicht kennenlernen (keine gute Erfahrung, nebenbei bemerkt). Die erste Semesterwoche verbrachte ich noch im Krankenhaus liegend, danach zu Hause mehr oder weniger liegend. Ich reichte mein erstes Urlaubssemester ein, in der festen Überzeugung, dass es bei einem bleiben würde. Das Projekt „Schwanger Studieren“ konnte ich damit begraben.
In meinem Fall hatte es einfach nicht funktioniert und ich würde mich ganz sicher nicht freiwillig für eine weitere Schwangerschaft während des Studiums entscheiden – bereits vorhandene Kinder haben trotzdem Bestandsschutz.