Jetzt ist es also amtlich: Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, und es wurde leider wie erwartet eine schallende Ohrfeige für deutsche Präsenzapotheken. Es war ja zu befürchten, dass dem Generalanwalt gefolgt wird, aber weh tut es schon. Was mich aber neben dem Urteil selbst besonders aufregt, sind die von purem Neid und Missgunst durchzogenen Kommentare so mancher Schreiberlinge.
Ich frage mich ernsthaft ob die Leute wirklich so dämlich sind und glauben, dass irgendjemand außer den ausländischen Kettenapotheken von diesem Urteil profitiert? Ich habe zum Teil hanebüchene Texte lesen müssen, die offenbar von keinerlei Sachkenntnis getrübt zu sein scheinen.
Einmal wird darüber philosophiert, dass chronisch Kranke „mit schmalem Budget“ davon profitieren würden, dass ihre verschreibungspflichtigen Medikamente billiger werden. Wie bitte?
Ersparnis für chronisch Erkrankte? Nein!
Man zahlt hier in Deutschland einen Betrag zwischen 5 und 10 Euro pro Arzneimittel, das auf Rezept verordnet wird. Ist eine Person chronisch krank, wird pro Jahr eine Summe von 1 Prozent des bruttoverfügbaren Familieneinkommens festgelegt, das der Erkrankte aufbringen muss – alles, was darüber hinausgeht ist zuzahlungsbefreit. Wo bitte bleibt jetzt die große Ersparnis? Der maximale Betrag, der zu leisten ist, ändert sich ja nicht, ob die Medikamente nun in Deutschland oder in den Niederlanden eingekauft werden. Oder rechne ich irgendwie falsch?
Andere wiederum beklatschen die Ersparnis, die eventuell die Krankenkassen haben werden, vergessen aber scheinbar, dass die Gesamtausgaben der Krankenkassen bei Arzneimitteln unglaubliche 2,3 Prozent betragen – weniger übrigens als deren Verwaltungskosten. Wenn man nun jeden Sitz der Kassen ins Ausland verlagern, und mit beispielsweise rumänischen Mitarbeitern besetzen würde, wäre da ein Aufschrei zu erwarten? Ja? Ja! Und zwar zurecht.
„Chronikerprogramme“ – klingt nett, ist es aber nicht
Die inländischen Apotheken dürfen bei diesem gepokere ja noch nicht mal mitspielen. Und wer sagt uns denn, dass jetzt zwingend die Arzneimittel billiger werden? Wenn das Angebot den Markt regelt, könnte man sich vorstellen, dass knapp gewordene Medikamente (wie kürzlich Novaminsulfon) plötzlich deutlich teurer werden, oder? Aber das sind nur Gedankenspielereien.
Fakt ist, dass verschiedene Krankenkassen bereits angekündigt haben, darüber nachzudenken Chronikerprogramme ins Leben zu rufen. Klingt nett, bedeutet aber im schlechtesten Fall, dass zum Beispiel ein Diabetiker, der bei der BARMER versichert ist, irgendwann in einer deutschen Apotheke zu hören bekommt: „Tut uns leid, Ihr Insulin müssen Sie zukünftig übers Ausland beziehen“.
Das Gespräch mit den Kunden suchen
Unser Plus als wohnortnahe Apotheke ist die persönliche Ansprache und das große Vertrauen, das unsere Kunden in uns haben. Nutzen wir das doch! Klären wir auf! Erklären wir unseren Kunden doch unsere Schwierigkeiten mal in aller Deutlichkeit! Ich wette, wir stoßen nicht auf taube Ohren. Krankenkassen kann man wechseln – selbst als Chroniker.
Und by the way: Welche Mehrwertsteuer zahlt DocMorris eigentlich für Medikamente, die nach Deutschland gehen? 6 Prozent oder 19 Prozent? Wäre auch mal interessant zu erfahren ...