Nach dem Urteil zur Rx-Preisbindung macht sich Aktionismus bemerkbar: Hermann Gröhe arbeitet am Versandhandelsverbot, und Versender denken laut über Klagen nach. Friedemann Schmidt kann sich zurücklehnen. Seine Wiederwahl gilt jetzt als sicher.
Aus Sicht von Regierungsvertretern hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) keinen guten Zeitpunkt für sein Rx-Urteil gewählt. In 2017 stehen Bundestagswahlen an. Das Luxemburger Verbot, deutsche Gesetze auf EU-Versender anzuwenden, sorgte selbst in Laienmedien für hohe Wellen. Hermann Gröhe (CDU) musste nicht lange auf Besuch warten. Im Bundesgesundheitsministerium gaben sich ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, DAV-Chef Fritz Becker und BAK-Präsident Andreas Kiefer die Klinke in die Hand. Der Christdemokrat musste reagieren. „Ich bin fest entschlossen, das Notwendige und das uns Mögliche zu tun, damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung auf hohem Niveau durch ortsnahe Apotheken weiterhin gesichert bleibt“, so Gröhe.
Er bestätigte, an einem Gesetz zu arbeiten, um den Versand mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder zu verbieten. Argumente lieferte ihm wenig überraschend die ABDA. Verbandsangeben zufolge erlauben lediglich sieben von 28 EU-Mitgliedstaaten den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Nationale Alleingängen seien möglich. Unterstützung erhält Gröhe von der CDU und der CSU. Die SPD, allen voran Karl Lauterbach, lehnt seine Pläne ab. „Den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten, als Konsequenz aus der Entscheidung des EuGH von letzter Woche, ist falsch und dahingehende Forderungen sind abzulehnen“, erklärte Lauterbach. Er denkt laut über Honorare für Beratungsleistungen nach, warnt im gleichen Atemzug jedoch vor „Schnellschüssen“. Weitere Kontroversen sind vorprogrammiert.
Sollte Gröhes Gesetz tatsächlich kommen, muss er mit massivem Gegenwind rechnen. Olaf Heinrich erklärte bereits jetzt, gegen ein Rx-Versandverbot vor dem Verfassungsgericht zu klagen. Der CEO von DocMorris ergänzte: „Beim Verbot des Versandhandels geht es den Apothekern nicht um die Sicherung der flächendeckenden Versorgung, es geht ihnen um die Sicherung wirtschaftlicher Interessen.“ Hartmut Deiwick, kaufmännischer Leiter der Versandapotheke APONEO aus Deutschland, kann sich ebenfalls vorstellen, Gerichte anzurufen. An Details werde noch gearbeitet.
Zurück zur Standesvertretung. Für Friedemann Schmidt kommt das EuGH-Urteil nur allzu gelegen. „Ein so großer politischer Erfolg für die Apotheker, wie er sich derzeit abzeichnet, wird nicht nur die Organisation, sondern auch ihren Vorsitzenden stärken“, schrieb die FAZ in einem Kommentar. Schmidts früherer Gegenkandidat Kai-Peter Siemsen aus Hamburg verzichtet auf eine Kandidatur. „Gerade jetzt braucht es eine geschlossene Front der berufsständischen Vertreter bei der ABDA und den 34 – sie tragenden – Landesorganisationen“, so Siemsen.