Die Vorstellung, eine Famulatur beim Hausarzt zu machen, hat mich anfangs überhaupt nicht begeistert. Mir schwante die alltägliche Auseinandersetzung mit laufende Nasen, Fuß- und Nagelpilz. Wie falsch ich lag, sollte ich aber bald herausfinden.
Anfangs war ich von der Vorgabe „Pflichtfamulatur in einer Einrichtung der hausärztlichen Versorgung“ zugegebenermaßen nicht sonderlich begeistert. Ich war mir aber nach dem fünften Semester so unsicher, wo ich denn nun als erstes famulieren sollte und entschied deswegen so: ist Pflicht, musst du in Deutschland machen, also zum Hausarzt (ich würde nämlich so unglaublich gerne die anderen Famulaturen im Ausland machen, aber eine Auslandsfamulatur muss rechtzeitig organisiert werden).
Wenn ich mir die Arbeit beim Hausarzt vorstellte, so dachte ich an meinen jetzigen neuen Hausarzt in meiner Unistadt, den ich leider nicht so toll finde und an grippale Infekte, Krankmeldungen, laufende Nasen, Fuß und Nagelpilz. An was ich nicht gedacht habe: an anspruchsvolle medizinische Rätsel, eine ganz besondere Arzt-Patient- Beziehung und an eine im besten Fall lebenslange Betreuung von ganzen Familien.
Erster Eindruck: Laaangweilig!
Montag morgen stand ich also um viertel vor acht umgezogen in der Allgemeinarztpraxis und stellte mich allen brav vor – im Team arbeiten ausschließlich Frauen – die beiden Ärztinnen, vier Arzthelferinnen und 2 Auszubildende. Von der Klinik war ich andere Arbeitszeiten gewohnt, deshalb kam mir viertel vor acht ganz gelegen. Die erste Woche dachte ich nur: „Wie soll hier die Zeit vergehen? Ich kann keine einzige Aufgabe eigenständig durchführen, ich höre nur zu: laaaangweilig. Anamnese hatte ich schon im zweiten Semester, was soll ich denn hier noch lernen?“
Aber zum Glück änderte sich dies schnell. Ich nutzte die erste Eingewöhnungswoche, um mir die Abläufe in der Praxis einzuprägen, mich in dieser mir fremden Praxiswelt einzuleben und siehe da, es klappte wunderbar. Bereits in der zweiten Woche kam es mir und meinen Kolleginnen so vor, als wäre ich ein festes Teammitglied und schon länger dabei. Es war richtig schön in dieser fast schon familiären Umgebung zu arbeiten. Morgens kümmerte ich mich um das Labor, erledigte alle Blutentnahmen, wechselte Verbände, zog Klammern oder Fäden und schrieb EKGs.
Watch and Learn
Damit war ich ungefähr von 8-10 Uhr beschäftigt, danach setzte ich mich in die Sprechstunde und hörte anfangs zu. Ich hätte es wirklich nicht gedacht, aber ich habe allein durchs Zuhören noch so viel gelernt: über die Art und Weise, wie die beiden Ärztinnen unterschiedlich an problematische Patienten rangehen; wie viel Sicherheit sie ausstrahlen, während sie das Medikamentenschema mal eben auf den Kopf stellen – ohne erst in alle möglichen Vorgaben zu schauen, und sich trauen, auch mal Medikamente ohne Magenschutz zu verschreiben.
Einige Untersuchungen habe ich dann selber durchführen können, während mir eine der beiden Chefinnen über die Schulter schautw. Es ist hilfreich, erstmal in gefühlt hunderte Ohren und Hälse zu schauen, um dann irgendwann erkennen zu können: „Aha, das ist gereizt und das eher nicht“.
Besonderes Highlight: Die Hausbesuche
Ein für mich kleines Highlight waren die Hausbesuche, zu denen ich ungefähr ein Mal in der Woche mitgenommen wurde. Das erinnerte mich wieder ein bisschen an den Rettungsdienst. Dein Equipment ist begrenzt, du bist auf dich gestellt und es können jederzeit Überraschungen auf dich warten, von Sozialfällen à la Messie bis hin zu rührender, liebevoller Versorgung von Familienmitgliedern durch die Angehörigen.
Die ambulante Versorgung ist einfach anders als die Arbeit in der Klinik. Mir hat besonders gut gefallen, dass die manchmal ach so strengen hierarchischen Strukturen hier nahezu aufgehoben sind, man sich als Team gegenseitig unterstützt und sich freundlich und auf Augenhöhe gegenüber tritt.
Im Nachhinein bin ich sehr dankbar, dass ich in einer wirklich guten Hausarztpraxis famulieren konnte.
Was ich trotzdem anders machen würde ...
Ich würde trotzdem einige wenige Sachen anders machen. Zum einen war die Hausarztfamulatur meine erste Famulatur überhaupt. Vielleicht war das nicht die beste Entscheidung. Wenn ich noch mehr klinisches Wissen drauf gehabt hätte, hätte ich auch noch mehr an Input mitnehmen können. Ob ich deshalb mehr hätte machen dürfen, bezweifel ich zwar, finde ich aber nicht weiter schlimm. Ich hab es wirklich genossen, einfach Zeit zum Lernen und Fragen zu haben.
Ich dachte eigentlich, dass ich durch meine Ausbildung schon zu oft und zu lange in der Anästhesie war, aber mittlerweile glaube ich, dass sich die Anästhesie oder ein Bereich der Inneren Medizin für die erste Famulatur ganz gut geeignet.
Wer wirklich gar nicht in die klassische Hausarztpraxis mag, schaut einfach, welche anderen Praxen noch als hausärztliche Einrichtung gelten. Eine Kinderarztpraxis wäre für mich zum Beispiel auch in Frage gekommen.
Zum anderen habe ich im August famuliert, das muss wirklich auch nicht sein. Das nächste Mal werde ich erst das schöne Wetter im August genießen und dann so Mitte September starten. Wir werden später eh bis zum umkippen arbeiten, da muss man nicht überehrgeizig jetzt schon die beste Semesterferienzeit opfern, aber das muss natürlich jeder für sich entscheiden. Die Zeit Sommer/Herbst war aber dennoch ganz gut gewählt, im Winter/Frühling sieht man sehr viele laufende Nasen und Infekte.
Gut war auch, dass ich eine Gemeinschaftspraxis gewählt habe, denn einige Patienten wollten nicht, dass ich während der Untersuchung dabei bin. So konnte ich dann einfach mal das Zimmer wechseln und außerdem zwei verschiedene Arbeitsweisen kennen lernen.