Niemand überrascht es, dass Medikamente immer teurer werden. Die Dreistigkeit, mit der zugelangt wird, hat jedoch zugenommen. Die Pole-Position übernimmt jetzt das US-Aknemittel Aloquin. Es war noch nie so kostspielig, Pickel zu haben.
Patente sind eigentlich eine feine Sache: Sie garantieren dem Patenthalter, dass er seine Ideen eine zeitlang exklusiv monetarisieren kann, bevor Nachahmer ihm das Leben schwer machen. Damit soll seine geistige Leistung angemessen gewürdigt werden. Patentschutz kann aber auch wie eine taktische Waffe genutzt werden, um überhöhte Preise am Markt durchzudrücken. In der Fachsprache der Wirtschaftswissenschaftler heißt das "Gouging" - zu deutsch: Preiserhöhung, bis der Arzt kommt.
Bereits im letzten Jahr sorgten mehrere Fälle von Gouging für Aufsehen. Der Hedgefondmanager Martin Shkreli erwarb die Patentrechte von Daraprim und erhöhte den Preis des Toxoplamose-Mittels über Nacht von 13,50$ auf satte 750$ pro Tablette - ein Anstieg um sagenhafte 5.000%. Das Pharmaunternehmen Mylan langte hingegen beim EpiPen zu, einem Adrenalin-Autoinjektor für Allergiker, und verwandelte dessen ärmliches 30$ Preisschildchen innert weniger Monate in einen schmucken 600$-Aufkleber. Mylans Firmenclaim "Seeing is believing" entwickelte dadurch eine besonders schwere Form der Doppeldeutigkeit. Mylans Chefin Heather Bresch wurde wegen ihrer Preispolitik stundenlang von einem Kongressausschuss gegrillt. Wohl nicht zu Unrecht: In Deutschland ist der Autoinjektor als Reimport für rund ein Drittel des Preises zu haben.
Nun schickt sich der US-Hersteller Novum Pharma an, eine neue Bestmarke in Sachen Gouging zu setzen. Der Preis für ein kümmerliches 60g-Tübchen seines Aknemittels Aloquin stieg seit Mai 2015 von 241$ in mehreren Stufen auf 9.561$. Das ist Schmieren auf höchstem Niveau - da wäre es sogar billiger, seine Komedonen einzeln vergolden zu lassen. Eine Unze (31g) des Edelmetalls schlägt mit geschmeidigen 1.300$ zu Buche. Immerhin: Im Internet lässt sich die Tube zum Schnäppchenpreis von rund 8.000$ schießen.
Das Pikante daran: Aloquin enthält nicht etwa irgendeinen hochkomplexen Antikörper, in dem Jahre von Grundlagenforschung stecken, sondern nur einen simpel iodierten Kohlenwasserstoff namens Iodoquinol, der auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Die Herstellungskosten dürften daher im einstelligen Dollarbereich liegen - hier geht es in erster Linie um Profitmaximierung. Da wundert es wenig, dass die steigenden Medikamentenpreise ein zentrales Thema des US-Wahlkampfes sind.
Aber was tun? Arzneimittelproduktion verstaatlichen? Keine gute Idee, wenn man sich die unternehmerischen Erfolge von BER und Elbphilharmonie ansieht. Es würde eng für diejenigen werden, die ihre Therapie pünktlich brauchen.
Preiskontrolle durch die Kostenträger? In Deutschland mittlerweile die Regel (AMNOG), aber verschiebt bei Innovationen das Kostenproblem in die Brieftasche des Patienten, wenn man sich über die Erstattung nicht einig wird.
Mondpreise sind nur durch mehr Wettbewerb zu verhindern, und dabei stehen staatliche Regulierungsmaßnahmen wie das kostspielige Zulassungsverfahren und ein antiquiertes Patentrecht im Weg. Nachahmen ist für den Menschen seit jeher ein wichtiger Faktor des evolutionären Erfolgs. Der Umfang und die Laufzeit von Wirkstoffpatenten sollten daher neu überdacht werden - sonst gleicht der Arzneimittelmarkt bald einer Luxusboutique.