Die junge Frau (im Fachjargon: „eine Frau im gebärfähigen Alter“ – und ich erwähne es nur, weil dies für viele medizinische Belange noch wichtig ist, wie auch für diesen hier …) kommt in die Apotheke mit einem Rezept für Isotretinoin Kapseln 10mg.
Netterweise hat der Arzt sich einmal an die Vorschriften gehalten und der Frau (etwa 20-jährig) tatsächlich nur eine 30er Packung aufgeschrieben. Ehrlich, langsam nervt es, dass ich da inzwischen fast immer (!) Dauerrezepte und Packungen à 100 Stück sehe. In der Packungsbeilage und Fachinformation steht deutlich drin, dass man bei diesem Medikament bei Frauen im gebärfähigen Alter (was ja heute eine Spanne von 14 bis nach 50 Jahren umfassen kann) jeden Monat eine ärztliche Kontrolle machen muss, vor dem Ausstellen eines neuen Rezeptes – sie darf wirklich nicht schwanger werden. Der Wirkstoff ist teratogen, führt also zu Missbildungen.
Wenn man das mit den – nicht erlaubten und trotzdem immer wieder ausgestellten – Dauerrezepten für Frauen weiß, dann verwundert es vielleicht etwas weniger, dass im letzten Jahr (2015) in der Schweiz 15! Frauen unter Isotretinoin schwanger wurden. Fünf haben die Schwangerschaft freiwillig abgebrochen, zwei hatten Spontanaborte, ein Kind kam zu früh und mit Missbildungen zur Welt, eins zur Normalzeit mit Missbildungen, bei den anderen Kindern ist unbekannt, wie es ausging. Auch 2014 waren es 13 Frauen die unter Isotretinoin schwanger wurden, 2012 waren es noch 5 (Quelle: Vigilance News 12-2014).
Meiner Meinung nach ist da jede einzelne Schwangerschaft zu viel. Deshalb habe ich Anfang des Jahres an die schlimmsten Verschreiber (was das Isotretinoin angeht) einen Informationsbrief geschrieben ... könnte ja sein, dass sie nicht wissen, dass es nicht wirklich legal ist, was sie da machen mit den Dauerrezepten für Isotretinoin. Zumindest sollten sie dann auf dem Rezept eine Notiz machen, damit ich weiß, dass die Problematik bekannt, die Patientin genügend aufgeklärt ist und ich das Medikament wirklich als Dauerrezept abgeben soll. Ein einfaches „!“ oder „sic“ reicht mir dafür. Außerdem habe ich sie darauf hingewiesen, dass ich auch dann keine großen (100er) Packungen abgebe, sondern nur monatlich eine 30er Packung – damit ich zumindest die Gelegenheit habe, nachzuprüfen und der Kundin gegenüber zu wiederholen, dass sie während der Einnahme nicht schwanger sein oder werden darf. Gerade mal ein Arzt hat darauf reagiert ... und zwar derjenige, der das am wenigsten macht. Wir hatten einfach die eine Kundin, der er das Medikament nicht selber mitgibt, jeden Monat.
Aber ich schweife ab. Das Rezept hier war okay, die Kundin wusste um die Anwendung und auch dass sie nicht schwanger werden darf, was sie mir grad mit der nächsten Frage nochmals bewies ...
„Könnte ich grad noch eine Packung (Pille zum Verhüten) haben? Ich habe aber kein Rezept dabei – ich habe es zu Hause vergessen.“
Gut, sie hatte diese Pille schon einmal bei uns, aber unter diesen Voraussetzungen hätte ich ihr das Verhütungsmittel garantiert auch so gegeben.