Rauchen ist nicht einfach nur gesundheitsschädlich. Wie Tabakkonsum das Erbgut verändert, untersuchten Harvard-Forscher jetzt in einer neuen Studie. Sie konnten Mutationen in der DNA, vor allem in den Lungenzellen, feststellen.
Laut Bundesgesundheitsministerium rauchen in Deutschland 28 Prozent der Erwachsenen ab 18 Jahren. Zwar ist die Zahl der Raucher in den letzten Jahren zurückgegangen – bei den Jugendlichen seit 2001 sogar von 27,5 auf 7,8 Prozent. Trotzdem sterben hierzulande jährlich noch rund 120.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Dass das Krebsrisiko durch Rauchen erhöht ist, weiß man. Immerhin enthält Tabakrauch mehr als 7.000 Chemikalien, davon sind über 70 krebserregend. Wissenschaftler haben nun untersucht, wie sich die Gene durch Tabakkonsum verändern. Was passiert, wenn man täglich eine Schachtel Zigaretten raucht? – wollten sie wissen. Ihr Ergebnis: Es verursacht in jeder Lungenzelle 150 Mutationen in der DNA pro Jahr, wie die Experten des National Laboratory in Los Alamos und des Wellcome Trust Sanger Institute schreiben.
Laut Studie ist die Zahl der Mutationen abhängig von der Zahl der konsumierten Zigaretten und vom jeweiligen Organ. Mit jährlich 150 Mutationen pro Zelle ist die Lunge eindeutig am stärksten betroffen. „Bislang hatten wir eine Vielzahl epidemiologischer Hinweise auf die Verbindung zwischen Rauchen und Krebs. Jetzt können wir die von Zigaretten verursachten molekularen Veränderungen in der DNA endlich überprüfen und quantifizieren“, sagt Erstautor Ludmil Alexandrow.
Nicht nur in den Lungenzellen fand man viele Mutationen. Auf Platz zwei steht der Kehlkopf mit 97 Mutationen, gefolgt von Rachenhöhle mit 39 und der Mundhöhle mit 23 Mutationen. Aber auch die Harnblase ist mit 18, die Leber mit 6 Mutationen betroffen, obwohl beide Organe nicht direkt mit dem Rauch in Berührung kommen. Wie genau Tabakrauch das Genom beschädigt und jene Veränderungen des Erbguts auslöst, die letztendlich zu Krebs führen, ist aber immer noch nicht gänzlich erschlossen. In der Studie wurden 5.243 Genom-Sequenzen (davon 4.633 Exome und 610 Genome) von jenen Krebsarten untersucht, für die sich das Risiko durch Rauchen erhöht. Das Ziel: Mutationen, die mit Rauchen asoziiert werden, zu identifizieren. Von den analysierten Proben waren 2.490 von Rauchern und 1.063 von Nichtrauchern.
Das Team um Alexandrov suchte im Erbgut von Rauchertumoren nach bestimmten molekularen Fingerabdrücken. Sie identifizierten bei den 17 untersuchten Krebsarten mehr als 20 Mutationsmuster. Fünf davon brachten sie mit dem Rauchen in Zusammenhang (Signatur 2, 4, 5, 13 und 16). Signatur 4 tauchte hauptsächlich in jenen Organen auf, die direkt mit dem Tabakrauch in Kontakt kommen – etwa der Lunge oder dem Kehlkopf. Sie entspricht weitgehend dem Mutationsmuster, das durch den karzinogenen Inhaltsstoff des Tabakrauchs Benzo[a]pyren verursacht wird. Originalpublikation: Mutational signatures associated with tobacco smoking in human cancer Ludmil B. Alexandrov et al.; Science, doi: 10.1126/science.aag0299; 2016