"Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt." Nach Diagnosestellung und einer Berg- und Talfahrt der Gefühle findet sich mein Mann schneller in einer Standardtherapie wieder als uns lieb ist. Über den Start der ersten Therapie, um die membranöse Glomerulonephritis in den Griff zu bekommen.
Im letzten Artikel mit dieser Überschrift hatte ich damit geendet, dass zunächst eine supportive Therapie für ein halbes Jahr zur Behandlung des im Rahmen der primären membranösen Glomerulonephritis (kurz: MGN) aufgetretenden Nephrotischen Syndroms geplant worden war.
Im Zuge der Entlassung aus der Uni-Kinik brauchten wir einen Nephrologen, der meinen Mann ambulant weiter behandelt. Wir wurden im Nachbarort fündig und vereinbarten kurzfristig einen Termin.
Zu diesem Termin begleitete ich meinen Mann mit einem Haufen Fragen im Gepäck. Unter anderem war es wichtig zu wissen, ob sich der Arzt mit dieser doch recht speziellen Nierenerkrankung auskennt, soweit man bei dieser eigentlich noch wenig erforschten Krankheit überhaupt von Auskennen sprechen kann...
Die Krankheit war dem Nephrologen durchaus bekannt, wobei er natürlich keinen konkreten Fall bislang betreut hatte. Wir haben dennoch nicht nach einem anderen Arzt gesucht und sind dort geblieben.
Mein Mann wurde erst einmal noch für gut 14 Tage weiter krankgeschrieben. Dann war er jedoch irgendwann der Meinung, dass es ihm schon besser ginge und er seine Arbeit wieder aufnehmen wollte, was er dann auch tat. Die Blutwerte waren während dieser Zeit auch etwas besser geworden, so dass für uns erst einmal kein Anlass für weitere Sorgen bestand. Der Antikörper wurde allerdings nach dem Ersttest zur Diagnose-Stellung (erst einmal) nicht erneut bestimmt.
Nachdem er wieder angefangen hatte zu arbeiten, erfolgte wie vorgesehen eine weitere Blutentnahme mit Prüfung der Werte (ist Standard im Rahmen der supportiven Therapie - man spricht von einer engmaschigen Überwachung). Dabei stellte sich dann heraus, dass sich der Kreatinin-Wert verschlechtert hatte. Zu diesem Zeitpunkt lag er aber noch im Regel-Normbereich. In der Bewertung des Kreatinin-Wertes bei der Blutentnahme zuvor, zeigte sich jedoch ein Anstieg um mehr als 30%, was nicht gut war. Mitgeteilt wurde meinem Mann dieses an einem Mittwoch. Zunächst war für uns fraglich, ob er deshalb erneut in die Uni-Klinik muss. Am folgenden Freitag Vormittag telefonierte mein Mann deshalb mit der Uni-Klinik. Er sprach mit einem der Nephrologen, der ihm mitteilte, dass etwas getan werden müsse, weil die Werte anzeigen würden, dass die Nieren zu 30% nicht korrekt arbeiten würden.
Derartig alarmiert packten wir sofort eine Tasche fürs Krankenhaus und fuhren hin. Abends klärte man uns dann darüber aus, dass man mit einer Standard-Therapie nach Ponticelli beginnen wolle, die am Folgemorgen mit einer Gabe hochdosiertem Kortison (Methylprednisolon 1g) per Infusion beginnen sollte. Wir waren wir "überfahren"...
Da ich keine wirkliche Ahnung von Kortison hatte, machte ich mich via Google schlauer. Was ich als Nebeneffekte einer Kortisonbehandlung fand, entsprach dem, was bei meinem Mann sowieso schon aufgrund des Nephrotischen Syndroms im Argen lag: Gestörter Fettstoffwechsel mit hohen Blutfettwerten, Ödeme und einiges mehr... für mich soweit erst einmal kontraproduktiv...
Nach dem modifizierten Ponticelli-Schema wird die MGN so behandelt, dass es drei Tage lang das hochdosierte Methylprednisolon via Tropf gibt, im Anschluss daran folgt an 27 Tagen die orale Kortisoneinnahme (Prednisolon 0,5 mg pro kg Körpergewicht pro Tag), im Folgemonat wird Cyclophosphamid in Tablettenform eingenommen. Das ganze "Spiel" zieht sich dann über ein halbes Jahr hin, so dass man insgesamt drei Monate Kortison und drei Monate Cyclophosphamid einnimmt.
Cyclophosphamid gehört zu den Zytostatika und wird normal in der Onkologie verwendet. Da das Medikament die Blase schädigen kann, muss man zusätzlich ein weiteres Medikament zum Schutz der Blase nehmen. Nur einer von vielen Faktoren, die im Zusammenhang mit diesem Wirkstoff für starke Verunsicherung bei uns gesorgt haben.
Kortison gehört normal zu den Medikamenten, die man langsam wieder aus dem Körper "ausschleichen" muss, was damit zusammenhängt, das Kortison wie das körpereigene Hormon Kortisol, welches in der Nebennierenrinde erzeugt wird, funktioniert. Durch die Aufnahme von viel Kortison, stellt der Körper irgendwann die eigene Kortisolproduktion ab. Wenn man nach längerer Einnahme hoher Dosen das Kortison abrupt absetzt, kann dieses verherrende Auswirkungen bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen haben. Im Zusammenhang mit dem Ponticelli-Schema stellte sich uns nun die Frage, wie man nach den hohen Kortison-Gaben einfach abrupt auf Cyclophosphamid wechseln kann. Eine Erklärung, warum nach Ponticelli kein Ausschleichen des Kortisons nötig ist, haben wir bis heute noch nicht bekommen.
Wir blieben insgesamt kritisch. Während mein Mann die erste Gabe Methylprednisolon bekam, recherchierte ich weiter zu den verschiedenen Therapiemöglichkeiten der MGN. Insbesondere der Einsatz von Rituximab war dabei für mich von großem Interesse. Es handelt sich dabei um einen monoklonaren Antikörper, der ebenfalls aus der Onkologie kommt und gegen die B-Zellen des Immunsystems wirkt. Da der PLAK2-Antikörper, der für die primäre membranöse Glomerulonephritis verantwortlich sein soll, von den B-Zellen des Immunsystems hergestellt wird (die membranöse Glomerulonephritis gehört deshalb zu den so genannten Autoimmun-Erkrankungen), fand ich diesen Therapieansatz logisch und sinnvoll. Damals hat mich insbesondere dieser Artikel besonders beeinflusst.
Auszug aus dem Artikel:
(...)
Dabei machen sich die Forscher zunutze, dass das Immunsystem aus unterschiedlichen Zelltypen besteht, die jeweils spezielle Aufgaben erfüllen. "Wir setzen eine Therapie ein, die nur gegen sogenannte B-Zellen gerichtet ist, von denen später Antikörper gebildet werden können. Das ist noch nicht fest etabliert, wird aber sicher die Zukunft sein bei dieser Erkrankung", sagt Panzer. "Die Behandlung mit B-Zell unterdrückenden Medikamenten wird von vielen behandelnden Ärzten schon eingesetzt, ist aber noch keine Therapie, die in den Leitlinien von wissenschaftlichen Gesellschaften empfohlen wird", ergänzt Prof. Stahl.
Ich konnte nicht nachvollziehen, warum man an der Uni-Klinik nicht mit Rituximab therapieren wollte. Wir fragten nach und erhielten keine zufriedenstellende Erklärung. Es hieß nur, dass man gute Erfahrungen mit Ponticelli hat und dass Rituximab neben einem weiteren Wirkstoff (Ciclosporin A - Cattran-Schema) Optionen wären, die man nutzen würde, wenn Ponticelli nicht hilft.
Nach einigen wenig hilfreichen Diskussionen - unter anderem mit einer Assistenzärztin, die meinem Mann sagte, dass er auch auf die Therapie verzichten und gehen könne, es wären ja seine Nieren... wurde mein Mann Dienstag entlassen.
Der Therapieplan nach Ponticelli war zu diesem Zeitpunkt von der Uni-Klinik fest definiert worden. Mein Mann sollte nun erst einmal das Kortison (Prednisolon) in Tablettenform nehmen. Das Cyclophosphamid sollte ihm dann durch den behandlenden Nephrologen verschrieben werden.
Es gab zwei Fehler bei der Entlassung: Zum einen waren die Therapiedaten nicht korrekt berechnet (ein Tag Abweichung) und zum anderen hatte die "freundliche" Assistenzärztin vergessen, den Therapieplan im System der Uni-Klinik korrekt anzupassen. Bei der Entlassung bemerkten wir, dass die Schwester uns kein Prednisolon für den Folgetag in der Medikamentenzusammenstellung gegeben hatte. Nach Hinweis bekamen wir die Tablette dann.
Auf dem Heimweg beklagte mein Mann Muskelschmerzen. Als wir zuhause waren und weiter über die Schmerzerscheinungen nachdachten, kamen wir zu dem Schluss, dass dieses in Zusammenhang mit dem Prednisolon stehen kann. Da dieses nicht im System der Uni-Klinik eingetragen war, hatte mein Mann morgens auch keins erhalten. Ich rief daraufhin das Notfalltelefon der Klinik an und fragte, ob es in Ordnung sei, wenn mein Mann die eine Tablette sofort einnehmen würde. (Eine hatten wir ja von der Schwester für den Folgetag bekommen). Er nahm die Tablette und die Schmerzen wurden besser.
Im Rahmen der Kortisonbehandlung kam es übrigens direkt in der Uni-Klink noch zum Auftreten eines steroidbasierten Diabetes. Dafür wurde meinem Mann ein weiteres Medikament (Januvia) zugeteilt, was sich im Nachhinein auch als fragwürdig herausstellte. Ausführungen hierzu, würden jetzt zu weit führen.
Da wir uns insgesamt nicht wirklich gut beraten fühlten und uns die Therapie nach Ponticelli nicht zusagte, nahmen wir schließlich Kontakt mit dem UKE in Hamburg auf. Nach einem längeren sehr aufschlussreichen Telefonat vereinbarten wir einen Termin vor Ort...
Wie es danach weiterging, folgt im nächsten Artikel. Hat doch alles mehr Umfang als man denkt, wobei ich mir schon viele kleinere Details schenke...