Ich glaube, die erste Reanimation ist etwas, das man nie vergisst. Ich kann mich noch sehr gut an meinen ersten Einsatz erinnern: an den Ablauf, den Notruf, die Ehefrau, selbst die Patientendaten sind mir genau im Kopf geblieben.
Es ist nicht selten, dass der Melder losgeht und die Worte „leblose Person“ in der Einsatzbeschreibung auftauchen. Meist findet man dann Obdachlose, die irgendwo eingeschlafen sind, stark alkoholisierte Menschen oder synkopierte Personen.
Diesmal ging der Melder los, als wir gerade „mobile Wache“ hatten. Wir standen mit dem Auto auf dem Parkplatz der Leitstelle, waren aber zu den Kollegen nach oben gegangen, denn es war Winter und hat geregnet.
Leitstellendisponenten sind meistens ehemalige Kollegen aus dem Rettungsdienst und der Feuerwehr, es ist immer ganz nett, in der Leitstelle den ankommenden Notrufen zu lauschen und es fasziniert mich, wie ruhig und souverän die Kollegen die Einsätze planen. Wir saßen also im Warmen und warteten darauf, dass wir wieder zurück auf unsere Wache geschickt wurden. Dann kam der Notruf: „Sohn findet Vater (~70) im Bad kollabiert, keine Atmung“. Unsere Kollegin sagte: „Ihr müsst den Einsatz fahren, ich habe keine anderen Autos in der Nähe.“ Die Kollegin leitete uns den Einsatz weiter und begann mit der Reanimation per Telefonanleitung.
Leitlinien erleichtern das Denken
Die sofortige Herzdruckmassage ist nämlich unglaublich wichtig und verbessert die Prognose, sie kommt noch vor der Belüftung der Lunge. Es ist deshalb sehr wichtig, dass jeder so etwas im Erste Hilfe Kurs lernt. Mittlerweile gibt es zwar auch Maschinen, die die Thoraxkompressionen durchführen, aber ich habe noch keine gesehen. Die kardiopulmonale Reanimation ist die Art von Notfall, die man gut und oft üben kann und bei der man streng nach den Leitlinien gehen muss. Ich finde, das erleichtert irgendwie sogar das Denken in einer solchen Ausnahmesituation.
Wir sind also die Treppen runter gelaufen, ins Auto gestiegen und losgefahren. Ich kann von Glück reden, dass ich noch in meiner „Dritt-Mann-Zeit“ war, also in der Eingewöhnungsphase als dritte Person mitgefahren bin. Sonst ist man im RTW normalerweise ja nur zu zweit unterwegs. Während der leider etwas langen Anfahrt unter den ungünstigen Wetterbedingungen – es regnete mittlerweile wie aus Eimern – habe ich mir im Auto meine Handschuhe angezogen und in Gedanken schon die Medikamente aufgezogen. „Ich ziehe 1 mg Adrenalin auf 10 ml auf, 1 ml hat dann ...“.
Doppelt hält besser – auch bei Handschuhen
Ich habe außerdem den Tipp befolgt, immer zwei Handschuhe übereinander zu ziehen – ein guter Tipp von einem alten Hasen. Die Handschuhe werden immer schnell dreckig und mit schwitzigen Händen dann frische anzuziehen, ist leider nicht so einfach, vor allem dann nicht, wenn es schnell gehen muss.
Als wir ankamen, stellten wir zunächst fest, dass der Ersthelfer, also der Sohn, viel zu weit unten im Bauchraum rumdrückte. Mein erfahrener Kollege verteilte die Aufgaben. Zunächst mussten wir uns Platz schaffen, sich zu dritt in das winzige Bad zu quetschen, machte keinen Sinn. Er schaute zu mir und sagte: „Bereite du die Intubation vor, Kai du das EKG“. Er selbst fing an zu drücken.
Die Leitstelle hatte auch einen Notarzteinsatzwagen alarmiert und die zwei Kollegen, Notarzt und Fahrer, trafen drei Minuten nach uns ein. Ich hatte eine endotracheale Intubation vorbeireitet und schon angefangen abzusaugen. In der Eile hatte ich leider den Absaugkatheter mit dem kleinsten Lumen ausgewählt und das Erbrochene kam mir nur so entgegen (zum Glück zwei Handschuhe!). Ich saugte und saugte und nichts passiert. Mein Kollege machte mich darauf aufmerksam, ich wechselte den Katheter, danach ging es besser. Ich habe mich sehr über meine schlechte Wahl geärgert. Seitdem schaue ich mir die Produkte immer genau an. Insbesondere wenn es um Utensilien geht, die man nicht alltäglich benutzt. Es war aber ohnehin keine endotracheale Intubation möglich, deshalb durfte ich eine Larynxmaske schieben und dann beatmen.
Ausführen ohne Nachdenken
Wir wechselten uns bei der Herzdruckmassage immer gegenseitig ab, damit es nicht zu Ermüdungserscheinungen wie abnehmende Geschwindigkeit oder geringere Drucktiefe kommt. Da drücke ich also auf einem Menschen rum und denke nur an die Geschwindigkeit und die Kompressionstiefe und an sonst nichts. Ich habe während des ganzen Einsatzes einfach nur meine Aufgaben erledigt. Wer mich kennt, weiß, dass ich eher ein emotionaler Mensch bin, deshalb war ich froh, einen kühlen Kopf bewahren zu können.
Wahrscheinlich lag es auch größtenteils daran, dass ich die Verantwortung nicht komplett alleine tragen musste. Wenn man später quasi der Chef ist, dann sieht das bestimmt ganz anders aus. Diesmal war ich in der komfortablen Situation, nur Aufgaben ausführen zu müssen, die mir zuvor zugeteilt wurden. Aber alles step-by-step, es ist schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Die Klinik-Kollegen übernehmen
Zurück zu unserem Patienten: Sobald er stabil und damit transportfähig war, bereiteten wir den Transport vor, denn der Patient musste so schnell wie möglich in die Klinik. Egal, wie gut die präklinische Versorgung ist, in der Klinik ist sie auf alle Fälle besser. Das EKG zeigte nun eine Asystolie und deshalb keine Indikation für eine Defibrillation.
In der Klinik angekommen, verlief die Übergabe wie aus einem Lehrbuch: Ich habe sofort gesehen, dass die Kollegen das nicht zum ersten Mal machen. Ich liebe es den Kollegen im Schockraum zuzusehen, wenn einfach jeder Handgriff sitzt. Die Klinik-Kollegen waren zwar verärgert, dass der Patient nicht endotracheal intubiert worden war, aber das mussten sie mit dem Notarzt klären. Ich hab ja nur das gemacht, was mir gesagt wurde.
Was ich nach diesem Einsatz für mich mitgenommen habe: