„Gnom, du schreibst ja nur über ganz komische Patienten oder inkompetentes Personal!“ Hier also eine Geschichte darüber, wie ich eine Patientin standardmäßig aufnahm, umgeben von kompetenten Kollegen.
Ich schaute mir nun erstmal die Patientenunterlagen an, die der Hausarzt mitgegeben hatte: Gelb. Die Patientin sei seit Kurzem gelb geworden. Ich wanderte weiter ins Aufnahmezimmer.
Frau Böhm, eine nette, gepflegte Dame, um die 60 Jahre alt, wartete seit ungefähr vier Stunden. Ich entschuldigte mich für die lange Wartezeit. Frau Böhm lächelte nett und sagte, sie habe schon gesehen, dass heute viel los sei. Zum Glück hätte ihr Mann ihr erst vor Kurzem den neuen Band von T.C. Boyle geschenkt und das hätte sie bis jetzt gut unterhalten.
Wir sprachen nochmals über ihre Beschwerden: Gelb. Sie sei gelb geworden, müsse immer wieder erbrechen, habe krampfartige Schmerzen im Oberbauch und die Blutwerte beim Hausarzt seien auffällig gewesen. Auch unser abgenommenes Blut zeigte verschiedene erhöhte Leberenzyme und zu viel Bilirubin.
Ich erklärte Frau Böhm, diese Konstellation deute darauf hin, dass möglicherweise ein Gallenstein den Abfluss der Galle behindere und wir deshalb kurz noch einen Ultraschall machen müssten. Frau Böhm nickte verständig: Ja, das habe der Hausarzt auch vermutet.
Wir wechselten in ein Zimmer mit Ultraschallgerät und während ich das Gerät hochfuhr, rannte Frau Böhm kurz zu ihrem Mann ins Wartezimmer, um den neuesten Band von T.C. Boyle abzugeben und erfreut zu erzählen, dass sie jetzt endlich dran sei.
Ultraschall: Die Gallenblase von Frau Böhm war etwas groß, was wie vermutet auf eine Abflussbehinderung hindeutete. Einen Stein konnte ich leider nicht sehen, aber ich hatte auch eines der schlechteren Sonographiegeräte im Haus. Vielleicht hing er ja irgendwo im Hauptgallengang fest und entging meinen mittelmäßigen Ultraschallskills.
Einer meiner Kollegen schaute auch noch kurz vorbei, bestätigte den Befund und wir erklärten Frau Böhm, dass hier eine stationäre Aufnahme nötig sei. Wir würden in ihrem Fall eine ERCP planen. Bei dieser Untersuchung kann man mit einem speziellen Endoskop die Gallengänge mithilfe eines Kontrastmittels darstellen und dann die Steine, die sich verstopfend festgesetzt haben, mit einem Körbchen herausziehen.
Frau Böhm nickte, ließ sich die Untersuchung nochmals genau erklären und sagte seufzend: Da müsse sie wohl oder übel dableiben. Eine kleine Tasche mit ihren Übernachtungssachen habe sie zum Glück ja gleich mitgenommen.
Ich füllte noch ein paar Formulare aus, die Aufnahmeschwestern hatten schon ein freies Bett organisiert, Herr Böhm trug die Tasche, Frau Böhm die Formulare. Fertig war die Aufnahme.
Am nächsten Tag hatte ich kurz Zeit und klickte mich durch das Super-Alles-Verwaltende-PC-System, um herauszufinden wie die ERCP von Frau Böhm gelaufen war. ERCP – Doppelklick – blabla – Darstellung der Gallengänge – kein Gallenstein – starke Verengung des Hauptgallengangs mit hoher Wahrscheinlichkeit durch einen bösartigen Tumor – ...
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