Am Anfang war die Ausbildung zur Rettungsassistentin eine Qual! Ich hätte jeden Tag heulen können, ich bin so ungern zur Arbeit gefahren, wollte endlich mit dem Studium beginnen. Mobbing ohne Ende, chauvinistische Kommentare en masse und dazu noch unangenehme Aufgaben und Fragen gratis.
„Weißt du, unsere RTWs müssen immer tip top aussehen, das ist wichtig fürs Image.“ Ich denke mir: Klar, ich habe eben das Auto geputzt, aber es regnet, soll ich nach jedem Einsatz das Auto putzen? Und sage nur „Hast ja recht.“ Bitte hinterlasst mir einen Kommentar, wenn ihr auf einer Wache arbeitet, die auch so sehr auf die Autopflege achtet. Ich kenne keine, die 15 mal am Tag ein Auto putzt.
Was ich sonst gelernt habe: Küche putzen, Schränke auffüllen, Hof kehren, Arbeitskleidung verteilen. Nicht, dass man mich falsch versteht: Diese Aufgaben müssen ja gemacht werden. Am besten macht man sie, wenn man eh auf einen Einsatz wartet. Was ich nur nicht so toll finde, ist die Tatsache, dass wirklich alles mit dem Satz „Du bist Auszubildende“ gerechtfertigt wird. Ich finde es nicht okay, wenn die anderen vorm Fernseher sitzen und sich „hochanspruchsvolle“ Dokumentationen anschauen, ich die ganze Küche putzen muss. Sowas ist zusammen viel schneller erledigt. Ich habe mir versprochen, wenn ich – hoffentlich irgendwann – mal einen Praktikanten einarbeiten muss, ich mein bestes geben werde, um auf die Mischung zu achten. Was man zusammen erledigen kann, erledigt man schnell zusammen, wenn es gerade nicht geht, darf derjenige das nächste mal eine Pause machen oder eine schönere Aufgabe übernehmen.
Ich habe im Rettungsdienst so viel gelernt. Klar wurde ich oft schief angeschaut, ob ich denn mit meinem Gewicht einen Patienten mit dem vielfachen meines Gewichtes aus dem sechsten Stock runter tragen kann – aber dank Training und Tricks habe ich es geschafft. In den Einsätzen lernt man vor allem Menschen kennen. Menschen mit unterschiedlichem sozialen, kulturellen, finanziellen Hintergrund, mit unterschiedlichem Bildungsstand, hörst unglaubliche Geschichten und wirst Zeuge von Situationen, die dir sonst verschlossen bleiben, weil sie so intim sind.
Auf meiner Reise habe ich mich manchmal gefühlt wie eine Eheberaterin, Psychologin, beste Freundin, Frauenärztin, Streetworkerin oder Suchtbeauftragte. Manchmal habe ich mich gefragt, ob das alles wirklich real ist. Und genau das hilft mir in der Klinik weiter. Ich sage nicht, dass man zum Menschenflüsterer wird (schon gar nicht nach so einer kurzen Zeit), aber man entwickelt ein Gespür und das ziemlich schnell. Außerdem wirst du immer ruhiger und hast nicht mehr so große Angst vor richtigen Notfalleinsätzen wie z. B. einem Polytrauma.
Mir hat immer der Gedanke geholfen, dass man die Abläufe so, wie sie in den Leitlinien stehen, in und auswendig lernt, bis jeder Handgriff sitzt. Und wenn alle Stricke reißen, ich geschockt oder aufgeregt bin, hab ich stur das Schema befolgt und wurde immer ruhiger und konzentrierter. Du lernst, Situationen zu beurteilen: „Wie kritisch ist gerade das akute Abdomen?“, „Brauche ich einen Notarzt um diesen Schlaganfallpatienten zu transportieren?“
Außerdem lernst du die Basics: Venenverweilkanülen legen, Blut abnehmen, Infusionen vorbereiten, Verbände, Medikamente aufziehen und gegebenenfalls applizieren, Anamnese erheben, in der Klinik das Übergabegespräch führen und ganz wichtig: EKGs kleben, schreiben, interpretieren. Dieses Wissen hilft sogar schon im vorklinischen Fach „Physiologie“.
Das war natürlich nicht alles, man lernt in kurzer Zeit unglaublich viel. Es kommt stark darauf an, wo man die Ausbildung in Deutschland macht. Ich musste leider viel Geld für die Schule zahlen – knapp 5000 Euro (inklusive LKW Führerschein), aber nun gibt es den 3-jährigen Notfallsanitäter. Ich hatte leider etwas Pech mit meiner Wache. Sie war auf alle Fälle keine Rettungswache aus dem Lehrbuch.
Ausbildungsjahre sind keine Herrenjahre, deshalb habe ich einfach brav alles überstanden. Eine Ausbildung schadet nie. Wir werden unser Leben lang arbeiten (bestimmt bis 70, bis dahin wird das Rentenalter angehoben). Glaubt ihr, da kommt es auf zwei oder drei Jahre früher oder später an? Nein. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Jetzt denk ich, „hätt ich mir mal nicht so viel Stress gemacht :)“ Wo der Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn du wirklich Medizin studieren willst, dann bekommst du auch deinen Platz.