Wo Menschen arbeiten passieren Fehler. Fehler sind nie gut – ansonsten würde man sie wohl als glückliche Zufälle bezeichnen. Und gerade im Gesundheitssystem sind Fehler ausgesprochen schlecht und können direkte Auswirkungen auf Gesundheit und Leben haben. Weshalb man sie nach Kräften zu vermeiden sucht und alle möglichen Kontrollen dafür ein- und durchführt. So auch bei uns. Ein Vier-Augen-Prinzip bei der Abgabe und separate Kontrolle von der nächsten arbeitenden Apothekerin sind usus.
Falschabgaben sind der Horror für jeden, der in der Apotheke arbeitet. Und gerade von denen hatten wir gleich zwei innerhalb kurzer Zeit.
Das Problem war in beiden Fällen wahrscheinlich dasselbe: Ausgerechnet die Dosierungsetikette, die wir auf das Medikament kleben, damit der Patient sicher weiß, wie er das Medikament anwenden muss.
Was hat eine Etikette damit zu tun, dass das falsche Medikament raus ist? Die kann tatsächlich an der falschen Stelle kleben – und dann sieht man nicht mehr so gut, was das jetzt für eine Packung ist. Speziell problematisch, wenn die Packungen an sich schon ähnlich sind.
Das eine war ein Brufen 800mg retard, das eigentlich ein Brufen 600mg hätte sein sollen. Die Packungen sehen – wenn man die Etikette aufklebt praktisch gleich aus – und die Dosierung auf dem Rezept war mit einer Tablette abends auch eher auf die 800mg retard hindeutend, die abgegeben wurde.
Meine Kollegin hat den (meinen) Fehler beim kontrollieren der Rezepte am nächsten Tag gefunden und nach Absprache mit dem Arzt, dass er wirklich die 600mg wollte (wie gesagt, die Dosierung ist etwas ungewöhnlich: für ein 600mg ist es normalerweise 3x täglich eine) hat sie dem Patienten angerufen und die Packung wurde umgetauscht.
Von der medizinischen Seite ist das kein großes Problem: Der richtige Wirkstoff, noch lange keine Überdosierung, auch nicht eine Unterdosierung (das wäre das 600er 1x/Tag eher). Aber so ist es besser.
Fall 2 war etwas komplizierter. Ein Patient, der neu von uns ein Dosett gerichtet bekommt, mit einer großen Menge auch für ihn neuer Medikamente. Die Kollegin von mir hat das vor ein paar Tagen vorbereitet und alles in die Wege geleitet. Ziemlich aufwändig, da wir nur die Liste vom Spital hatten, das aber mit dem Hausarzt und dem Patienten koordiniert sein will, wie das mit dem Dosett funktioniert.
Und da, beim eingeben der Liste, hat sie richtig Lyrica 75mg erfasst – aber eine 25mg wurde aus der Schublade genommen. Die Dosierungsetikette klebte hier auch quer über der Zahl – und auf der Etikette stand die richtige Dosierung (75). So wurde das erste Dosett gerichtet und abgegeben. Vor zwei Tagen.
Ich war jetzt dabei das zweite Dosett zu richten und brauchte dafür schon eine neue Packung Lyrica 75 – auf dem Spitalrezept war nur eine kleine Packung, der Hausarzt hat inzwischen eine große verschrieben.
Und als ich die neue Packung aufmache war ich erst mal sehr erstaunt, zu sehen, dass die Kapseln eine andere Farbe haben. Kontrolle mit der alten Packung zeigte dann recht schnell das Problem.
So ein Mist! Das ist eigentlich genau das, wovor man Nachts Alpträume hat. Ein Fehler in der Abgabe der Medikation!
Und jetzt, was tun? Ich könnte natürlich einfach die Kapseln im neuen Dosett mit den richtigen austauschen und darauf hoffen, dass der Patient nicht merkt, dass die Dinger jetzt etwas andersfarbig sind, oder vielleicht denkt, dass das so gedacht ist. Aber vom professionellen Standpunkt stellt sich die Frage eigentlich nicht, also setze ich mich ans Telefon und mit dem Patienten in Verbindung um das wieder auszusortieren.
Ich habe ihm das Problem erklärt und das es gut wäre, wenn er sobald möglich die Kapseln in der richtigen (höheren) Dosierung bekommen würde. Er selber hat dabei noch nichts bemerkt von der Verwechslung (und eigentlich Unterdosierung). Dann habe ich die Pharmaassistentin losgeschickt das Dosett zurückholen – es ausgetauscht – und das Dosett wieder zu ihm gebracht, mit einem Entschuldigungsgeschenk für den Aufwand.
Für mich zeigt das, dass die zweite Kontrolle wichtig ist und funktioniert, dass es aber nötig ist, bei der ersten Kontrolle die Dosierungsetiketten noch nicht auf die Schachteln kleben zu lassen. Ah ja – und die Bilder der Kapseln kommen neu auch auf die Richtpläne für die Dosette.
Beide Fälle sind (noch) nicht wirklich „schlimm“ auf der Fehler-Richterskala. Ja, der Patient wurde vom Fehler betroffen (viele, nein – die allermeisten Fehler oder möglichen Fehler erwischt man noch vorher), aber es hatte keine Auswirkungen auf ihn oder seine Gesundheit. Die nächsten Stufen, respektive Folgen wären: Überwachung gesundheitlicher Parameter vonnöten; Arztbesuch oder Spitalaufenthalt wurde notwendig; dann bleibende Folgeschäden; und dann die ultimative raubt-mir-den-Schlaf-Vorstellung: Tod des Patienten. Holz anfassen: bei uns oder den Apotheken, die ich kenne ist noch niemand über die beschriebene Stufe oben herausgekommen. Das wäre aber trotzdem etwas für ein CIRS (Critical Incident Reporting-System).
Für Apotheken in der Schweiz gibt es noch kein CIRS; in Deutschland gibt es ganz neu eines (allerdings nur für NRW?). Österreich hat glaube ich eines - das aber nur für die Apotheken intern zugänglich ist.