Täglich grüßen uns neue Gesundheits-Wearables aus der übervollen Gadgeteria. Wer will, kann sich so viele Healthtracker an den Unterarm schnallen, dass der Ankauf von Hanteln überflüssig wird. Und doch gibt es schon wieder etwas Neues: Pavlok, den Armbandschocker für Charakterschwache.
Nomen est omen: Von Iwan Petrowitsch Pawlow haben wir alle schon mal gehört. Genau - das war dieser bärtige Russe, der bei Hunden mit Klingelton und Futternapf das Prinzip der klassischen Konditionierung entdeckte. Mit dem gleichen Trick will uns das Wearable Pavlok nun von schlechten Gewohnheiten heilen. Mit kleinen, gemeinen Stromstößen, allerdings. Das nennt sich dann wissenschaftlich „operante Konditionierung mit negativem Verstärker“.
Neugierig klappe ich die kleine schwarze Box auf, die von einem grellen gelben Blitzsymbol verziert wird. Halte ich hier das Allheilmittel in den Händen, um mein von zahlreichen schlechten Gewohnheiten gekennzeichnetes Bürostuhldasein endlich wieder in geordnete Bahnen zu lenken? Das Produktversprechen klingt vielversprechend: „Pavlok is a wearable device that helps reduce cravings and break bad habits.“
So weit, so gut. Den Nutzen des kleinen Quälgeistes versuchen die Hersteller durch den Beileger „Evidence“ zu untermalen. Dort finden sich zahlreiche ermutigende Case Studies („Tasha quit sugar in 1 day!“) und angejahrtes Studienmaterial aus den 1970ern („10 weeks electrical aversion therapy cured a chronic heroin user“). Um mir selbst ein Bild zu machen, muss ich den kleinen Bonbon-artigen Elektronikblock zunächst per USB-Kabel aufladen und dann in das etwas wabbelige Silikonarmband schieben. Das kann man je nach Geschmack in dezenten oder grellen Farben wählen. Sogar in pink - wahrscheinlich für good girls gone bad. Und natürlich gibt es eine App dazu, so dass man den Pavlok mit seinem Lieblingsspielzeug, dem iPhone, paaren kann. Das ermöglicht einem, die Stärke der Stromschläge von einem sanften Kribbeln bis zum massiven Elektronenüberfall eines 12V-Weidezauns hochzuregeln. Autsch.
Allen, die sich jetzt bereits gedanklich vor Schmerz krümmen, kann ich Entwarnung geben. Pavlok bekommt nämlich gar nicht mit, wenn man gegen die selbst gesetzten Regeln verstößt. Dazu fehlen ihm schlicht und einfach die Sensoren. Naschkatzen und chronische Prokrastinierer, die sich von Süßigkeiten und unproduktivem Tun losströmen wollen, müssen sich also schon selbst „zappen“, um in den Genuss der Konditionierung zu kommen. Dafür tippt man nach dem Fehlverhalten auf das Blitzsymbol des Armbands, was mit einem deftigen Stromstoß belohnt wird. Da scheint mir eine kleine konzeptionelle Schwäche vorzuliegen. Ich kenne Menschen, die Schokolade an den unmöglichsten Orten vor sich selbst verstecken und sie dann trotzdem finden.
Dennoch wage ich den Selbstversuch: Wenn ich mich innerhalb einer Stunde nicht mindestens einmal aus meinem Bürostuhl erhoben habe, zappe ich mich zur Strafe. Das ziehe ich einen Tag lang durch - wird mich Pavlok zu einem mobileren Menschen machen? Das Ergebnis ist gemischt: In der Tat ist das Zappen so unangenehm, dass man es möglichst vermeiden möchte. Einmal kurz Aufstehen und durchs Büro laufen fühlt sich deutlich besser an. Allerdings ist der Stromstoß so unangenehm, dass man sich überwinden muss, ihn auszulösen. Das kostet Willenskraft. Wer aber den Mumm hat, sich selbst in ein Biokabel zu verwandeln - braucht der den Pavlok, um sein Verhalten zu ändern? Die Frage muss sich jeder selbst stellen. Happy zapping!
Hard Facts:
PS: Ich verlose ein voll aufgeladenes Gebrauchtgerät zum Selbsttest unter denen, die hier einen Kommentar hinterlassen.