Greifen Ärzte zu häufig zum Skalpell? Das behauptet zumindest die Kaufmännische Krankenkasse. Die Gründe dafür sind unklar. Die KKH rät allen Patienten, häufiger Zweitmeinungen einzuholen. In der Praxis ist das leichter gesagt als getan.
„Aus unseren Versicherten-Daten geht hervor, dass zum Beispiel zwischen 2012 und 2015 die Zahl der Eingriffe am Herz um 44 Prozent gestiegen ist. Das ist medizinisch nicht zu erklären“, kritisiert KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit. Das zeigt sich etwa bei ischämischen Herzerkrankungen. Im OECD-Vergleich nimmt Deutschland den unrühmlichen ersten Platz bei der OP-Häufigkeit ein, rangiert bei den Mortalitätsraten aber nur im Mittelfeld. Diese Tendenz zeigt sich auch bei anderen Eingriffen.
So lag die Zahl an Hüft-OPs hierzulande bei 283 pro 100.000 Einwohner (OECD: 161). Bei Knie-OPs waren es 190 Eingriffe auf 100.000 Menschen (OECD: 121), bei Herzkatheter-Eingriffen 624 (OECD: 177) und bei Bypass-OPs 67 (OECD: 38). Bei Prostata-Eingriffen generell (197 versus 117) und Prostata-Entfernungen (85 versus 54) sah die Sache nicht besser aus. Ferner könnten nach Expertenmeinung 80 Prozent aller Wirbelsäulen-Operationen vermieden werden, schreibt die KKH. Sie rät Mitgliedern, sich in spezialisierten Schmerzzentren beraten zu lassen. „Bei 81 Prozent der Teilnehmer, denen ursprünglich eine OP empfohlen worden war, war auch nach über einem Jahr keine Rückenoperation notwendig“, so Kailuweit. Auch zu Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Zweitmeinungen möglich. Jeder Dritte Patient mit malignen Erkrankungen erhielt einen Änderungsvorschlag für seine Therapie. Seit 2015 handelt es sich um eine gesetzlich festgelegte Regelleistung. Allerdings lässt eine Richtlinie zur Konkretisierung auf sich warten.
Trotz dieser Möglichkeit bleibt als Frage, wie es zu exorbitant hohen Fallzahlen kommen kann. Hier stellt die KKH zwei Thesen zur Diskussion:
Sind Zweitmeinungen deshalb das Allheilmittel? Wohl kaum: Experten können nur Unterlagen auswerten, die tatsächlich vorliegen. Teilweise haben Versicherte Schwierigkeiten, die Informationen zu sammeln. Bleiben noch Akzeptanzprobleme, weil Ärzte Patienten zur Begutachtung nicht selbst untersuchen. Dazu eine Größenordnung: Lediglich 50 Prozent aller Krebspatienten, die einen Änderungsvorschlag bekommen hatten, besprachen die Idee mit ihrem Arzt. Das zeigen KKH-Befragungen. Oft liegt es eben auch am Patienten selbst.