Da war ich also der Arzt vom Dienst oder auch mit dem Dienst und dachte „Oh, da ruft die Intensivstation an. Hm, geh‘ ich kurz ran!“ Das war ein dummer Gedanke, denn erstens war ich gar nicht für die Intensivstation zuständig und zweites war ich eigentlich dabei eine Kanüle zu legen.
Diese hatte ich auch gerade erfolgreich im Handrücken des dementen Patienten versenkt und – äh Festkleben wäre nun eine tolle Idee gewesen – aber ich wollte ja kurz diesen Telefonanruf beantworten. Ich wollte einfach sagen: „Ahhh, Intensivstation, da bin ich gar nicht zuständig, rufen sie den Intensivarzt an!“. Saß dabb aber da, hielt mit einer Hand die nun mit einer wackligen Kanüle bestückten Hand des Patienten, der nicht verstand, warum da überhaupt eine Kanüle sein sollte und daher wehement versuchte, die Hand erstmal weg zu ziehen. An einem ausgeprägten Zittern litt der Mann außerdem. Loslassen hätte den sicheren Tod der Kanüle bedeutet. Mit der anderen Hand umklammerte ich das Telefon.
Es sagte die Intensivstation: „Blabla und jetzt verbinde ich Sie mit Dr. Bränig aus der angrenzenden, schönheitschirurgischen Privatklinik!“ Ich wollte dann zwar noch wie geplant rufen: „NEEEINN! Ich bin gar nicht der Intensivarzt und muss diese Kanüle endlich festkleben und huä, was wollen die Schönheitschirurgen von uns?“
Aber die Intensivfachkraft hatte schon auf „Verbinden“ gedrückt und Dr. Bränig war am Apparat. Mit dem Intensivarzt habe er doch schon gesprochen und der habe gesagt, ich sei zuständig. „Das kann gar nicht sein“, sagte ich, gab aber nach kurzer Diskussion auf, da ich das mit dem Telefon zwischen Kopf und Schulter klemmen nicht hinbekam und mir mit dem armen Patienten, dessen Hand ich weiter mit eisernem Griff umklammerte, ein grimmiges Blickduell lieferte. „Aaaaalso“, erklärte Dr. Bränig, „wir haben hier einen Patienten mit Herzinfarkt und den verlegen wir jetzt auf eure Intensivstation!“ „Ah“, dachte ich und dass eine Frage, ob wir überhaupt Platz hätten schon nett gewesen wäre.
„Braucht der denn eine Herzkatheteruntersuchung, ihr Patient? Hat der infarkttypische EKG-Veränderungen? Oder einen Anstieg der entsprechenden Herzenzyme?“ „Nö“, sagte Dr. Bränig, „keine positiven Herzenzyme. Und nur so unspezifische EKG-Veränderungen.“ „Na dann muss der Patient doch nicht gleich auf eine Intensivstation! Aber gut, schicken Sie ihn vorbei.“ Dr. Bränig war hoch erfreut und ich auch; ebenso der Patient, dessen Kanüle ich nun festklebte, um endlich seine Hand loszulassen.
Diverse Angestellte der Privatklinik und der Rettungsdienst riefen dann noch mehreremals verschiedene Ärzte in unserer Klinik an, um endlich ihren Patienten loszuwerden. Am Ende waren wir dann alle sehr verwirrt. Aber der neue Patient hatte tatsächlich einen Herzinfarkt.
Zum Blog geht's hier.