Geschwächte Herzmuskelzellen können ihren Eisenhaushalt nicht mehr regulieren. Zusätzliches Eisen bringt die Zellen wieder auf Trab. Obwohl die intravenöse Korrektur des Eisenmangels bei Herzinsuffizienz der Leitlinie entspricht, verbreitet sich das Wissen nur langsam.
Experten schätzen, dass rund zwei Millionen Menschen in Deutschland von einer Herzinsuffizienz betroffen sind. Sie gilt als die Krankheit, die am häufigsten zu einer Aufnahme in ein Krankenhaus führt und dort für die meisten Todesfälle verantwortlich ist. Patienten mit einer Herzinsuffizienz geraten leicht in Atemnot und sind körperlich nur wenig belastbar. Darüber hinaus leiden sie auch häufig an einem systemischen Eisenmangel, der die Herzinsuffizienz verschlimmern kann, selbst wenn noch keine Anämie vorliegt . In einer kontrollierten Studie, deren Ergebnisse 2009 in einem Artikel des New England Journals of Medicine veröffentlicht wurden, konnte ein Forscherteam zeigen, dass nach intravenösen Gaben von Eisen-Carboxymaltose sich sowohl die körperliche Belastbarkeit als auch die Lebensqualität von Herzinsuffizienz-Patienten mit einem Eisenmangel erheblich besserten Jedoch blieb unklar, auf welche Weise die zusätzliche Eisengabe die Herzfunktion der Studienteilnehmer verbessert hatte. Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gelang es nun, den Mechanismus aufzuklären, mit dessen Hilfe Herzmuskelzellen ihren Eisengehalt regulieren. Wie das Team um Saba Haddad, Kai Wollert und Tibor Kempf in einem Artikel des European Heart Journals berichten, spielen die eisenregulatorischen Proteine IRP1 und IRP2 dabei eine wichtige Rolle. Sie sind bei einer Herzinsuffizienz offenbar weniger aktiv, was zur Folge hat, dass zu wenig Eisen in den Herzmuskelzellen vorhanden ist. „Eisen ist ein wichtiger Bestandteil von Enzymen, die in den Mitochondrien an der Produktion von Energie beteiligt sind“, erklärt Kempf, Oberarzt an der Klinik für Kardiologie und Angiologie der MHH. „Bei Eisenmangel können die Mitochondrien daher nicht genügend Energie zur Verfügung stellen.“ Gerade der Herzmuskel, so der Kardiologe, sei aber für eine korrekte Pumpfunktion auf eine hohe Energiezufuhr angewiesen.
Im Rahmen der aktuellen Studie untersuchten Kempf und sein Team zuerst Herzgewebeproben von Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz und verglichen sie mit Gewebeproben von nicht genutzten Spenderherzen. Dabei stellten die Forscher fest, dass in den Herzmuskelzellen der Herzinsuffizienz-Patienten nicht nur die Eisenkonzentration niedriger war als in den gesunden Kontrollzellen, sondern sich auch die Aktivität von IRP1 und IRP2 deutlich verringert hatte. Normalerweise sorgen die beiden Proteine dafür, dass Zellen aus dem Blut Eisen aufnehmen, wenn die Eisenkonzentration in den Zellen zu niedrig ist. Ist die Eisenkonzentration dagegen zu hoch, verlieren IRP1 und IRP2 ihre Wirkung und die Zellen geben das überschüssige Eisen wieder ins Blut ab. Im nächsten Schritt wollte Kempfs Team herauszufinden, warum dieses Wechselspiel in Herzmuskelzellen bei einer Herzinsuffizienz nicht mehr funktioniert. Dafür schalteten die Forscher mithilfe gentechnischer Methoden gezielt die Funktion von IRP1 und IRP2 in den Herzmuskelzellen von Labormäusen aus. Wie erwartet, entwickelten die Tiere einen Eisenmangel im Herzen, nicht jedoch im Blut und in den anderen Organen. „Die Herzmuskelzellen dieser Mäuse enthalten rund 30 Prozent weniger Eisen als die gleichen Zellen von nicht veränderter Mäuse“, berichtet Kempf. Unter normalen Bedingungen zeigten die Tiere keine augenfälligen Veränderungen gegenüber der Kontrollgruppe. Als die Forscher den Tieren beider Gruppen jedoch das künstliche Stresshormon Dobutamin verabreichten, wurde der Unterschied schnell deutlich. Die Tiere mit zu wenig Eisen in den Herzmuskelzellen konnten die Pumpfunktion ihrer Herzen nicht erhöhen. Ursache war eine zu geringe Energieproduktion in den Mitochondrien: Normalweise können die kleinen Kraftwerke der Zellen auch unter Stress ausreichend Energie in Form des energiereichen Moleküls ATP herstellen. Als Kempf und seine Mitarbeiter die Herzmuskelzellen genauer unter die Lupe nahmen, fanden sie heraus, dass in den Mitochondrien der genetisch veränderten Mäuse nach der Gabe von Dobutamin die ATP-Produktionsrate nicht gesteigert wurde. Auch ein künstlich ausgelöster Myokardinfarkt hatte für diese Tiere schwerwiegendere Folgen als für die gesunden Tiere: „Beide Gruppen entwickelten eine Herzinsuffizienz, doch bei den Mäusen mit Eisenmangel war diese besonders schlimm und führte zu einer höheren Sterberate“, sagt Kempf.
Anschließend wiederholten er und sein Team alle bisherigen Experimente, injizierten aber den Mäusen zusätzlich intravenös ein Eisen-Carboxymaltose-Präparat. Bei den gesunden Tieren blieb diese Behandlung ohne weitere Auswirkungen, bei den Tieren mit Eisenmangel dagegen stellten sich augenblicklich deutliche Verbesserungen ein. Unter Stressbedingungen konnten ihre Herzmuskelzellen wieder genügend Energie zur Verfügung stellen und die Pumpfunktion ihres Herzens war nicht mehr von der ihrer gesunden Artgenossen zu unterscheiden. Auch die durch einen künstlichen Myokardinfarkt ausgelöste Herzinsuffizienz hatte weniger dramatische Folgen, wenn die Forscher zuvor die Herzfunktion durch die Eisengabe normalisiert hatten. „Der Eisenmangel im Herzen scheint reversibel zu sein“, sagt Kempf. „Das zusätzliche Eisen gelangt in die Herzmuskelzellen, füllt die Eisenspeicher auf und stärkt die Mitochondrien.“ Bei Eisenmangel produzieren Mitochondrien zu wenig Energie und Herzmuskelzellen sind wenig leistungsfähig (oben), zusätzliches Eisen erhöht Energieproduktion und Leistungsfähigkeit (unten). © T. Kempf Kempf geht aufgrund der Ergebnisse davon aus, dass vermutlich bei sehr vielen Herzinsuffizienz-Patienten nicht mehr genügend Eisen in den Herzmuskelzellen vorhanden ist und diese von einer zusätzlichen Gabe eines Eisen-Präparats profitieren könnten. „Je schwerer die Herzinsuffizienz und je kränker die Patienten sind, desto häufiger finden wir einen systemischen Eisenmangel“, berichtet Kempf. „Das hat folgenden Grund: Im Darm wird weniger von diesem Spurenelement resorbiert, nicht nur weil die Patienten weniger essen, sondern vor allem weil der Eisentransport in der Darmschleimhaut aufgrund der vorhandenen chronischen Entzündungen gestört ist.“ Diese Patienten, so der Kardiologe, sollten unbedingt zusätzlich auf intravenösem Weg Eisen erhalten, um ihre Symptome zu verbessern.
Obwohl die intravenöse Korrektur des Eisenmangels in den ESC-Leitlinien zur Diagnose und Behandlung der Herzinsuffizienz bereits 2012 aufgenommen wurde, spricht sich im klinischen Alltag diese Therapieoption nur langsam herum: „Es ist noch immer nicht durchgehende Praxis, bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz die Eisen-Werte zu überprüfen und bei einem Mangel das Spurenelement zu substituieren“, sagt Stephan von Haehling, Oberarzt am Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen. „Wichtig ist auch, ehe man mit der Therapie beginnt, nicht nur den Wert des Speicherproteins Ferritin, der bei Entzündungen in die Höhe schießen kann, zu bestimmen, sondern auch den Wert des Transportporteins Transferrin.“ Es gebe allerdings noch viele Aspekte der Eisensubstitution zu erforschen, sagt von Haehling, der die Durchführung der FAIR-HFpEF-Studie koordiniert, in deren Rahmen die zusätzliche Eisengabe bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpfunktion untersucht werden soll. In einer weiteren kontrollierten Studie wollen Forscher unter der Leitung von Stefan Anker und Mahir Karakas überprüfen, ob eine Behandlung mit intravenös verabreichter Eisen-Carboxymaltose die Überlebenschancen von Herzinsuffizienz-Patienten verbessert und hilft, die Zahl der Krankenhausaufenthalte zu verringern. Die FAIR-HF2-Studie soll gleichfalls in Kürze beginnen und 1.200 Patienten mit einer symptomatischen Herzinsuffizienz aufnehmen.