Der neue Arzneimittelreport ist erschienen. Die Autoren machen vor allem auf zwei Probleme aufmerksam: Jeder vierte über 65-jährige Erwachsene bekommt ein falsches Medikament. Außerdem kommt es viel zu oft zu Parallelverordnungen unter Hausärzten.
Jeder Fünfte über 65 erhält ein für die Altersgruppe ungeeignetes Arzneimittel – dies ergab der diesjährige BARMER-Arzneimittelreport. Die Suche nach Ursachen führt zu folgender Statistik: Jeder fünfte Bundesbürger hat 2016 fünf oder mehr Arzneimittel eingenommen. Da den Überblick zu behalten sei enorm schwierig, so der BARMER Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Christoph Straub. Polypharmazie führt dazu, dass Ärzte potenzielle Risiken von über 450.000 Arzneimittelkombinationen beurteilen müssen. Für ca. 30.000 dieser Kombinationen gibt es Hinweise auf eine gegenseitige Beeinflussung. Verursachen kann dies letztendlich gefährliche Wechselwirkungen verschiedener Medikamente.
Dies trifft beispielsweise auf das Antibiotikum Trimpethoprim in Verbindung mit ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptorantagonisten zu. Das Antibiotikum wird u.a. zur Behandlung bakterieller Infektionen der Harnblase oder der Atemwege eingesetzt. Werden Patienten gleichzeitig aufgrund einer arteriellen Hypertonie oder einer Herzinsuffizienz mit den oben genannten Blutdrucksenkern behandelt, liegt sowohl ein erhöhtes Risiko für eine Hyperkaliämie als auch für einen plötzlichen Herztod vor. Für alternativ einsetzbare gleichwertige Antibiotika bestand dieses Risiko nicht, weshalb die BARMER es als vermeidbar einordnet. Die Blutdrucksenker erhöhen zudem das Risiko eines akuten Nierenversagens, falls sie zusammen mit entwässernden Mitteln oder Arzneimitteln wie Ibuprofen eingesetzt werden.
Es gehe nicht um Schuldzuweisungen in Richtung Ärzte, betont der Vorstandsvorsitzende. Häufig fehlen Informationen für Behandlungsentscheidungen von Fachärzten. Auch das häufige Wechseln des Arztes trägt dazu bei: Zwei Drittel der BARMER-Versicherten mit einer Polypharmazie sind laut Report durch drei oder mehr Ärzte medikamentös behandelt worden. So entstehen Informationsdefizite und nicht abgestimmte Medikationspläne, die wiederum für ein erhöhtes Wechselwirkungsrisiko sorgen.
Um Ärzte zukünftig beim Versorgungsmanagement zu unterstützen, hat die BARMER nun zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe eine Anwendung für digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management entwickelt. Diese Datenbank vereint Krankenkassendaten, Informationen zu Patientenvorerkrankungen oder -allergien, bundeseinheitliche Medikationspläne sowie eine Alarmfunktion bei neu auftretenden Risiken, die über den Rote-Hand-Brief kommunziert werden.