Das Gefühl einer Anästhesistin in der zweiten Weiterbildungswoche ist wahrscheinlich das gleiche, das alle anderen Anfänger da draußen fühlen – ist doch klar. Ein ständiges hin und her zwischen „Na klar, kann ich das!“ und „Ehm, darf ich das denn schon?“. Angst und Freude geben sich ständig die Klinke in die Hand.
Der erste Tag der zweiten Woche ist geschafft. Die Souveränität kehrt langsam zurück, was zur Folge hat, dass es wieder selbstverständlich ist, den großen runden Knopf am Narkosegerät mit der Faust laut zu be(s)tätigen. Schließlich weiß man ja was man will, diese Einstellung muss schließlich so und das darf in meinem Saal auch gerne jeder mitbekommen. Die Frau weiß was sie tut - zumindest strahlt sie es wieder aus.
Je weiter die Woche voranschreitet, desto eher fällt der frühmorgendliche Stresspegel vor der Einleitung ab. Genau, Stress. Denn jeden morgen kommt ein verzweifelte Gedanke auf: Eigentlich darf ich das alles doch noch gar nicht alleine, oder? Halt Stopp, doch darfste! Also geht es zielorientiert weiter: „Ja, äh.. also ja.. erstmal Fenta und dann äh ja, mach mal 0,2 und äh ja Propofol .. ja das ist auch gut. Wie schwer? Achja, dann mach mal.. ja genau...“
Allerdings folgt nun ein großes ABER: Die Kommunkation mit Patienten wird deutlich einfacher. Man wird nicht mehr mit riesigen Augen angestarrt „Und sie sind auch wirklich schon Anästhesistin?!“. Nein, das passiert mir nicht noch einmal. Das ist aber auch einfach eine verzwickte Position als Anfänger, man kann es einem förmlich von der Nasenspitze ablesen. Deswegen hilft ein stets selbstsicheres Auftreten bei teilweise vorhandener Ahnungslosigkeit. Mit diesem Konzept sind die meisten ja schon seit dem Studium bekannt, hier allerdings öfter mal in Kombination mit der „absoluten Ahnungslosigkeit“.
Erste Erfolgserlebnisse
Was hat sich handwerklich in einer Woche alles getan? Ich muss zugeben, während nach einem eher frustranen ersten Tag axillärer Plexen die Motivation bereits auf dem Weg in die Cafeteria (bei uns passenderweise im Kellergeschoss) war, war der zweite Tag ein absoluter Erfolg. Der erste „eigene“ Plexus unter Navigation des OA. Super! Das Legen von arteriellen Kanülen und ZVKs folgte sogleich. Zum Glück auch sehr erfolgreich und schwupps kommt der Gedanke auf, dass man wahrscheinlich doch das Zeug zum professionellen Stecher und vor allem Betäuber hat.
Und das Gefühl das richtige Näschen bezüglich der Fachwahl gehabt zu haben, kommt auch wieder auf. Es ist ein warmes und vor allem auch wohliges Gefühl, das gerne auch länger anhalten darf. Leider tut es das nicht, wenn die Kollegen anfangen zu scherzen, dass man für den nächsten Monat ja eigentlich schon Dienste machen könnte. Denn das ist definitiv nicht drin, schließlich kann ich das komplette Feld der gynäkologischen Notfälle noch nicht abdecken. Wie hat eine Kollegin schon gesagt: „Jeder Tag mehr, ist einen Tag näher am 1. Dienst“. Recht hat sie, aber jetzt das sollte jetzt noch kein Grund zur Aufregung sein.
Fazit ist, dass man sich selbst nicht kleiner denken sollte als man eigentlich ist. Das man in den ersten Wochen noch kein fertiger Facharzt ist, ist selbstverständlich aber gar nicht immer so präsent. Eigentlich gilt diese Feststellung auch für alle anderen Stifte, i.e. Anfänger, da draußen. Es wird einmal der Tag kommen, aber jetzt noch nicht. Man lernt noch und man darf noch viele doofe Fragen fragen, bis es irgendwann so weit ist und das ist auch gut so.