Leben kommt und geht. So schnell, so plötzlich. Manchmal ist es Stagnation, manchmal Lichtgeschwindigkeit. Fast auf den Tag sind 3 Monate vergangen seit dem Schriftlichen. Lange Periode - eigentlich. Für mich verging sie im Flug.
Was seit dem geschah:
- 1,5 Wochen nach dem Examen begann ich, meine fast komplette Wohnung in Kisten zu verpacken, verkaufte fast alle Möbel über ebay-Kleinanzeigen, nach 1 Woche übergab ich sie besenrein, hallend und unglaublich schweren Herzens an meinen Vermieter. Wohne jetzt nach 2 Jahren Beziehung doch tatsächlich mit meinem Freund zusammen (btw, fühlt sich voll gut an :D ).
- 12.11.: Ab in die Schweiz, auf ins PJ! Mein Gepäck ist sehr leicht - hab das Gefühl, für die 1-Monats-Famulaturen hatte ich jeweils mehr dabei als für jetzt das komplette PJ ...
Kleiner (schon geahnter) Kulturschock: Werde 16 Wochen in einem kleinen Dorf, in einem Mini-Spital verbringen. Hier fährt am Wochenende ein Bus, den man aber 30min vor gewünschter Abfahrt reservieren muss, sonst kommt er einen nicht abholen ... eines der Lebensmittelgeschäfte hier (es gibt tatsächtlich ganze ZWEI!) und der Blumenladen lassen über Nacht einige ihrer Waren draussen ... geklaut wird hier wohl nix. Die Patienten lassen übrigens voll Vertrauens auch ihre teuren Smartphones/Laptops/Tablets und Geld offen im Zimmer liegen und gehen mal für 2 Stunden mit Angehörigen in die Cafeteria. Spannende neue Erfahrung für eine Großstädterin.
- 16.11.: Eintrittstag für mich und eine andere Unterassistentin, auch ihr erstes Terital; wir sind sofort ein Herz und eine Seele.
Das ärztliche angestellte Team hier besteht aus keinem einzigen Schweizer Kollegen, dafür sind die Belegärzte fast ausnahmslos Schweizer. Es ist hier sehr familiär, wir dürfen uns selbst den Dienstplan schreiben, dürfen Aufgaben auch ablehnen (ausser die Assistenz im OP ... ), eigene Patienten betreuen geht super auf dem kleinen Notfall (5 Betten, in Ausnahmefällen erweiterbar auf 7).
Wenn man was über Innere lernen will (für dieses Tertial bin ich hier), ist man vielleicht nicht wirklich richtig, da hier v.a. chirurgische Patienten aufbieten und Innere hier irgendwie v.a. aus Behandlung von Herzinsuffizienz, Pneumonien und HWI besteht und das Standard-Antibiotikum Co-Amoxi ist.
Bei Bedarf kann man Arztbriefe diktieren, man kann aber auch drumrumkommen.
- 22.-28.12.: Home for Christmas. Bissl Freizeitstess, aber zum Runterkommen war es doch gut. Mein Freund hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden möchte - hab Ja! gesagt - fühlt sich das wunderbar richtig an <3
- Wir sind inzwischen 3 UA, trotzdem kommt man auf etwa 3 24-Stunden-Dienste pro Woche. Heißt nicht, daß wir 24 Stunden durcharbeiten, es sind eigentlich "nur" 12,5h, dann kann man rüber ins Zimmer für die Pikett-Zeit bis zum nächste Morgen, mit Telefon - versteht sich. Ich hoffe an jedem dieser Abende, daß wir keine Sectio haben oder Rea-Alarm ausgelöst wird ... denn dann klingelt es bei mir und ich muss rüber.
- Es sammeln sich trotz der 50h Arbeitszeit/Woche immernoch Überstunden an. Ich hatte bis vor Weihnachten schon 45 Stunden gesammelt, hab 30 Stunden genommen, um über Weihnachten nach Hause zu fliegen und bin jetzt, zu Mitte Januar wieder bei 50 Überstunden.
Ganz cool an der Sache: Für 16 Wochen PJ bekommt man hier 6,1 Tage Urlaub, mit den Überstunden habe ich jetzt schon 11 Tage frei, plus der Wochenenden dazwischen und ggf noch mehr Überstunden innerhalb des kommenden Monats kann ich hier wohl schon in etwa 4 Wochen die Zelte abbrechen. Es reicht nämlich langsam.
- Umbruchsstimmung. Leitende Ärztin und Oberärztin haben kurz nach Weihnachten beide gekündigt, 80% der Assistenzärzte gehen nach dieser Bekanntgabe auch innerhalb der kommenden 6-8 Wochen, weil die Weiterbildungsberechtigung dann hier nicht mehr ganz sicher ist. Komische Situation. Allen ist alles ein bißchen egal. Stimmung untereinander ist locker und entspannt, vielleicht auch, weil es hier niemand mehr irgendwem recht machen will, sondern man halt einfach nurnoch arbeiten kommt und sich kein Bein mehr ausreißt.
- Vermisse meinen Zukünftigen und meine Katze, mein Schlafbedürfnis - wenn ich frei habe - ist unglaublich hoch. Arbeiten macht im Augenblick nicht so viel Freude - zum Glück bin ich in einer Woche für ein paar Tage in Berlin.