Um die kupferzeitliche Gletschermumie 'Ötzi', die 1991 in den Ötztaler Alpen am Similaun-Gletscher in Südtirol gefunden wurde, ranken sich zahlreiche Gerüchte: Nicht nur, dass man erst im Nachhinein eine todbringende Pfeilspitze in der linken Schulter fand, dass ein Schädel-Hirn-Trauma und gebrochene Rippen aufgetreten und eine Tätowierung vorhanden waren ...
Sondern angeblich litt er auch unter Arthrose und Karies – vermutlich wegen fehlender Vollwert-Frischkost, ohne Bircher-Müsli, Salat und Südfrüchte und wegen zu viel „Junk-Food“ mit Pasta, Wein, Honig bzw. Fleisch als Jagdstrecke von schnell flüchtendem oder angreifendem „Fast-Food“?
Auch eine Laktoseintoleranz wurde ihm gelegentlich unterstellt, vermutlich weil man einen in der Nähe gefundenen Tetra Pak® mit Sojamilch nicht anders zuordnen wollte. Die Anfälligkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit RR-Werten von null mm Hg wurde vermutlich mit einer pathologischen „Kipptisch“-Untersuchung als „Kollaps-Neigung“ detektiert. Doch was jetzt im Volltext in SCIENCE mit dem Titel: „The 5300-year-old Helicobacter pylori genome of the Iceman“ von Frank Maixner et al. unter
http://science.sciencemag.org/content/351/6269/162.full publiziert wurde, ist n i c h t der vage Hinweis auf Eiweiße, die typischerweise von neutrophilen Granulozyten gebildet werden. Sondern im kältekonservierten Magen-Darm-Trakt gelang der Nachweis von Übereinstimmungen im direkten Gene-Coding und –Mapping mit einer Eurasischen Helicobacter pylori (H.p.) Variante [“Gene coverage and distribution of the enriched and validated Iceman H. pylori reads mapped onto the 1.6 Mb large reference genome H. pylori 26695.”] In ländlichen Bereichen ist noch heute weit mehr als die Hälfte der gesamten Menschheit mit H. p. infiziert: Ein klassischer Schmutzkeim, der bereits im frühkindlichen Krabbelalter aufgenommen wird und später i. d. R. nicht mehr von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Warum im Verhältnis zu seiner hohen Prävalenz nur relativ wenige an diesem säurefesten Keim invasiv und inzident erkranken, können selbst die beiden Medizin-Physiologie-Nobelpreisträger von 2005, Barry J. Marshall und J. Robin Warren, nicht erklären. Bei der vor 5.300 Jahren erreichbaren Lebenserwartung waren sicher kein Magenkarzinom oder die Entwicklung eines MALT-Lymphoms zu erwarten. Da hätten, rein erdgeschichtlich betrachtet, die kurze Zeit danach entdeckten H2-Blocker wie Ranitidin und die Sekunden später synthetisierten Ome-, Esome- und Panto-Prazole bzw. die dann folgende Entwicklung der H. p. Eradikation geholfen. Eines ist sicher: Wenn die Klimakammer in Bozen den „Ötzi“ nicht immer so frisch und kalt halten würde, kämen zu den Gerüchten um seinen Tod auch noch ziemlich üble Gerüche hinzu, und der Magen-Darm-Trakt wäre für die Wissenschaftler unwiederbringlich futsch gewesen!
P.S.: Mein Foto ist eine Teil-Abbildung von Fresken aus der ältesten Kirche Südtirols, in der Nähe des Fundortes von "Ötzi". Als diese Bilder im 8. Jahrhundert aufgetragen wurden, lag die Gletschermumie schon ca. 4.000 Jahre im Gletschereis, bis sie erst weitere 1.300 Jahre später aufgefunden wurde.